Die Befragung von Gisela Lehmer-Kerkloh und Thomas Przybilka
Ein Service der Alligatorpapiere.


Birgit Lautenbach & Johann Ebend



Frage: Warum Krimis?

Birgit Lautenbach: Es hat sich so ergeben. Und es macht Spaß.

Johann Ebend: Weil das Böse, Niederträchtige in uns allen steckt, und weil der Krimi – zumeist jedenfalls – die Gelegenheit bietet, uns am Ende hinter dem "Guten" zu verstecken.

Frage: Was bedeutet deutscher Krimi für Sie?

B. Lautenbach: Gute und schlechte Bücher deutscher Sprache, deren Themen Verbrechen und menschliche Abgründe aller Art sind.

J. Ebend: Ich glaube, den typisch deutschen Krimi gibt es nicht. Welche Eigenschaften könnten es sein, die ihn im Vergleich zu etwa belgischen Krimis immer wieder aufs Neue unverwechselbar deutsch erscheinen lassen? Also, keine besondere Bedeutung.

Frage: Wer ist überschätzt?

B. Lautenbach: Tja.

J. Ebend: Für die Überschätzung von Autoren sind Kritiker und Leser verantwortlich, und das sollte man den Autoren nicht vorwerfen.

Frage: Wer ist unterschätzt?

B. Lautenbach: So manche(r) unveröffentlichte, glück- und (noch) verlagslose Autor(in).

J. Ebend: Hunderte? Tausende? Alle, die einen Spitzenkrimi geschrieben haben, und keinen Verlag finden, der ihn veröffentlicht.

Frage: Krimi – eine Literaturgattung?

B. Lautenbach: Ja.

J. Ebend: Wie fast jedes Genre eher ein Grenzgänger zwischen Ex-und-hopp-Schreibe und Romanen von hoher literarischer Qualität.

Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?

B. Lautenbach: Wie die Jungfrau zum Kind.

J. Ebend: Wenn man sein Glück mit Gedichten und Kurzgeschichten versucht, wenn man es Jahre später mit dem Verfeuern der gestapelten Absagen einen Januar lang warm hätte, grünen plötzlich üble und verbrecherische Gedanken. Diese bringt man zu Papier, gibt noch eine Prise Gut und Böse dazu und fühlt sich danach viel, viel besser.

Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?

B. Lautenbach: Alles, was eine möglichst kurze Distanz zwischen Täter und Opfer notwendig macht.

J. Ebend: Der tauglichste Gegenstand, der gerade in greifbarer Nähe ist.

Frage: Mord – muss das sein?

B. Lautenbach: Nein, wie Kommissar Tabor Süden auf äußerst spannende Weise belegt.

J. Ebend: Kann, muss aber nicht sein, auch in einem Krimi nicht.

Frage: Warum schreiben Sie?

B. Lautenbach: Um Geschichten zu erzählen.

J. Ebend: Irgendein schlauer Kopf hat mal behauptet, es gäbe nur zwei Personengruppen, die nach den Motiven ihres Handelns gefragt würden: Schriftsteller und Mörder. Aber um die Frage zu beantworten: Schreiben macht mir Spaß, gibt mir einen Mittelpunkt, um den herum ich mein Leben gestalten kann.

Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?

B. Lautenbach: Hoffentlich.

J. Ebend: Meinen Eindruck der Gegenwart, zumindest versuche ich das.

Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?

B. Lautenbach: An Orten, Plätzen, in Milieus, in denen ich mich auskenne.

J. Ebend: In der Kreisstadt, im Dorf, im Verbandsligaverein, der aufsteigen möchte, in Häusern und Wohnungen der so genanten "kleinen Leute".

Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?

B. Lautenbach: Dienen a) der Lebenserhaltung und b) dem Genuss von Geruch und Geschmack so wunderbarer Dinge wie Orangen direkt vom Baum oder Vollkornbrot.

J. Ebend: Derzeit nur als eine physische Notwendigkeit. Kann sich aber im Laufe der nächsten Jahre durchaus ändern, schließlich gilt Essen und Trinken als die Erotik des Alters.

Frage: Sex im Krimi?

B. Lautenbach: Ja, nach dem Prinzip, dass Verborgenes sehr viel aufregender als Offensichtliches sein kann.

J. Ebend: Wenn er mit Tod / einer Katastrophe endet, ja. Ansonsten kann ich Sexszenen in Kriminalromanen wenig abgewinnen.

Frage: Wenn ja, warum?

B. Lautenbach: Weil's dazu gehören kann wie Leben und Sterben, Essen und Trinken ...

J. Ebend: s. o.

Frage: Wenn nein, warum?

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Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?

B. Lautenbach: Es gibt Frauenparkplätze, Frauenzeitschriften, den Internationalen Frauentag, also wohl auch Frauenkrimis (von Frauen für Frauen).

J. Ebend: Ein von uns eingesandtes Krimi-Manuskript wurde abgelehnt mit der Begründung, es käme für den Verlag für eine Veröffentlichung nicht in Frage, weil ich als Mann am Text mitgearbeitet hätte. Ergo gibt es wohl "Frauenkrimis", von Frauen – für Frauen.

Frage: Für wen schreiben Sie?

B. Lautenbach: Für mich selbst und alle, die lesen mögen, was ich mir ausdenke.

J. Ebend: In erster Linie für mich und mein Seelenheil. Dass unsere Geschichten jetzt ein Publikum finden, freut mich natürlich sehr.

Frage: Plotentwicklung – Ihr erster Gedanke?

B. Lautenbach: Ist das Thema, der Grundgedanke, die unerhörte Begebenheit.

J. Ebend: Zu Beginn stapeln sich die Gedanken chaotisch über- und nebeneinander. Habe ich den Schluss der Story, kann ich den Anfang wagen.

Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?

B. Lautenbach: Sie liegen in der Luft oder auf der Straße. Notizen müssen sein, weil ich sonst wieder vergesse, was mir eben noch ins Auge sprang.

J. Ebend: Ich mache Notizen auf allen möglichen und unmöglichen Unterlagen, auf Zetteln, auf die Haut, wenn's nicht anders geht, auch auf Bananenschalen. Meine Ideen? ... Die wenigsten fliegen mir zu, in der Regel entstehen sie durch intensive Beschäftigung mit dem Text.

Frage: Wo schreiben Sie?

B. Lautenbach: An meinem Schreibtisch.

J. Ebend: In meinem Arbeitszimmer, Schreibtisch am Fenster, mit Blick auf unsere kleine Straße.

Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?

B. Lautenbach: Ja, deswegen immer und ausschließlich Papier und Bleistift.

J. Ebend: Das hat er, und anfangs hasste ich meinen PC, ich wollte meine gute alte Brother-Schreibmaschine wiederhaben. Inzwischen habe ich den Computer schätzen gelernt, gehöre aber auch zu den Menschen, die ihn beschimpfen, wenn er nicht funktioniert

Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?

B.Lautenbach: Grimms Märchen.

J. Ebend: Ganz klar: Winnetou Band 3. Der edle Apachenhäuptling stirbt und Klein-Johann weint bitterlich.

Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?

B. Lautenbach: Eines? Mindestens "Effi Briest", "Der Untertan", "Buddenbrooks" und aktuell "Kim Novak badete nie im See Genezareth".

J. Ebend: Wechselt von Jahr zu Jahr. Mein Favorit 2004 war "Goyito und das Böse" von Fernando Royuela.

Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?

B. Lautenbach: Doris Gehrke / Håkan Nesser

J. Ebend: Sjöwall/Wahlöö

Frage: Ihr Lieblingsfilm?

B. Lautenbach: Einen? "Doktor Schiwago"? Oder doch "Spiel mir das Lied vom Tod"? Vielleicht eher "Sieben"? ... "Schweigen der Lämmer"? ...

J. Ebend: "Tod eines Handlungsreisenden" mit Dustin Hoffmann.

Frage: Ihr Lieblingsgetränk?

B. Lautenbach: Kaffee

J. Ebend: Klingt schauderhaft, ist aber die Wahrheit: Grüner Tee

Frage: Kochen Sie?

B. Lautenbach: Ja.

J. Ebend: Sehr gerne. Wenn's gelingt, freut sich meine Familie. Wenn's misslingt, freuen sich unsere Hunde.

Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?

B. Lautenbach: Ja, zu selten, italienisch oder türkisch.

J. Ebend: Türkisch, griechisch, überall dort, wo die Portionen groß und unübersichtlich sind.

Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?

B. Lautenbach: Jeans und Jackett.

J. Ebend: Jeans, weil sie bequem sind und zu fast allen Anlässen passen.

Frage: Fußball – ist das ein Thema für Sie?

B. Lautenbach: Nein.

J. Ebend: Wer als Kind sieht (und hört!), dass der Vater durchdreht, nur weil seine Lieblingself verloren hat, wird selbst Fan dieser Mannschaft und ist heute noch – wenn sie verliert – tagelang untröstlich. Beweis für meine Theorie: Auch das Fußballherz meines Sohnes schlägt für den Deutschen Meister 1959: Eintracht Frankfurt.

Frage: Frauen/Männer – ist das wichtig für Sie?

B. Lautenbach: Für mich im Rahmen des Üblichen – ja. Als Krimistoff immer.

J. Ebend: Frauen und Männer, ihre Unterschiede, ihre Gemeinsamkeiten, ihr Talent fürs partnerschaftliche Mit- und Gegeneinander werden wohl ein Thema bleiben, solange man lebt.

Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland?
B. Lautenbach: Die Stadt, in der ich zu Hause bin – Braunschweig. Oder doch die aufregendste – Hamburg?

J. Ebend: Heidelberg. Eine Stadt, in der ich viel Zeit verbracht habe und in der ich mich wohl fühle.

Frage: Ihr Lieblingsland?

B. Lautenbach: Der Norden Deutschlands und der Süden Italiens wären mir als Kombination am liebsten.

J. Ebend: Venezuela. Ich bin zwar nie dort gewesen, kann mir aber keinen schöneren Namen für ein Land vorstellen.

Frage: Was lieben Sie?

B. Lautenbach: Ein großes Wort. "Was" – eine Sache? ("Wen" fällt leichter: Meine Familie.) Die tiefe Ruhe eines Sommertags am Bodden, die Frühjahrswärme und das Licht über Kalabrien (s.o.)

J. Ebend: Den Geruch von Erde und Blüten nach einem Mairegen. Sternschnuppen, weil sie mich an meine Wünsche erinnern. Ödön von Horvaths schönen Satz: "Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu."

Frage: Was verabscheuen Sie?

B. Lautenbach: Engstirnigkeit und Matjesfilet in allen nur denkbaren Zubereitungsformen.

J. Ebend: Prügelnde Eltern. Alpträume. Zahnschmerzen. Zoobesuche. Falschheit und Hochmut. Klugscheißer. Modernen Vampirismus: Menschen gebrauchen, ausnutzen, wegschmeißen.

Frage: Beste Schulnote – worin?

B. Lautenbach: Eine Eins in Politik.

J. Ebend: Eine Eins in Geschichte.

Frage: Schlechteste Schulnote – worin & warum?

B. Lautenbach: 5 – Mathematik – Begriffsstutzigkeit.

J. Ebend: Eine Sechs in Physik. Ich hatte die Arbeit richtig abgeschrieben, bin aber erwischt worden.

Frage: Ihr Traumberuf?

B. Lautenbach: Als Kind: Platzanweiserin im Kino. Weißes Häubchen und weißes Schürzchen zu schwarzem Kleid und Pumps und jeden Tag Kino – das war's.

J. Ebend: Weltenretter und Flugbegleiter von Perry Rhodan, dann Musiker, jetzt Autor, und morgen ...

Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?

B. Lautenbach: Gute Frage.

J. Ebend: Ja sicher. Die Möglichkeit, sich vorteilhafter darzustellen, als man tatsächlich ist, kann man sich doch nicht entgehen lassen.


Birgit Lautenbach & Johann Ebend
Birgit Lautenbach wurde 1948 in Hamburg geboren, Johann Ebend 1958 in Hüffenhardt /Baden-Württemberg.

Das Fachwerkhaus, in dem das Autorenpaar seit über zwanzig Jahren mit Kindern, Hunden und Katzen lebt, steht zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel im Dorf Salzdahlum. Dessen untergegangenes Schloss ist Wiege der umfangreichsten Romane deutscher Sprache – 'Durchlauchtigste Syrerin Aramena' und 'Römische Oktavia', zusammen mehr als 12000 Seiten stark, rund sechzehnhundert handelnde Personen, Autor Herzog Anton Ulrich. Über Dorf und Herzog lässt sich – Gott sei Dank gerafft – herrlich amüsant in Heinz Pleschinskis Erzählung ‚Der Holzvulkan' nachlesen.

Über das Dorf: Gelegen in einer Landschaft, die nicht zu Unrecht die Toskana des Nordens genannt wird.
Über die Hunde: Eine spanische (Lanzarote) Einwanderin (groß), ein griechischer (Kreta) Streuner (klein).
Über die Kinder: Drei inzwischen erwachsen, die Jüngste fast auch schon.
Über die Autoren: Siehe die folgende Befragung.

Ihr Debüt als Kriminalschriftsteller lieferten Lautenbach und Ebend 2004 mit dem Krimi "Das Kind der Jungfrau" – es ist nicht ihr erstes Projekt, aber ihr erster gemeinsamer (Kriminal)Roman. Beide publizierten früher bereits als Sachbuchautoren.

Die Jury der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur DAS SYNDIKAT nominierte den Krimi "Das Kind der Jungfrau" für den "Friedrich-Glauser-Preis – Krimipreis der Autoren" in der Sparte Debüt. Mittlerweile liegt bereits der zweite Krimi "Hühnergötter" vor.

Homepage: – – –


Die Krimis:

2004, Das Kind der Jungfrau. Prolibris Verlag
2005, Hühnergötter. Prolibris Verlag

Stand: April 2005

© Gisela Lehmer-Kerkloh & Thomas Przybilka

Alle Titel und natürlich jedes andere lieferbare Buch können und sollten Sie bei Missing Link in Bonn bestellen, einer Buchhandlung, die sich auf Sekundärliteratur zum Krimi, auf Kriminalliteratur und auch auf die Beschaffung ausländischer Literatur spezialisiert hat.
Buchhandlung Missing Link
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Die Befragenden:

Gisela Lehmer-Kerkloh rezensiert Kriminalliteratur. Sie ist Mitglied bei den Sisters in Crime sowie Amiga im Syndikat.
Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht sie regelmäßig ihren "Krimi-Kurier" Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag

Thomas Przybilka verdient seinen Lebensunterhalt als Buchhändler. Er ist langjähriges Mitglied der "Autorengruppe Deutschsprachige Kriminalliteratur Das Syndikat". 1989 baute er das international bekannte "Bonner Krimi Archiv (Sekundärliteratur)" [BOKAS] auf. Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht er regelmäßig seine "Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur zum Krimi." Zahlreiche Publikationen zur Kriminalliteratur in Fachanthologien und -magazinen im In- und Ausland. Kriminalgeschichten in Deutschland, Bulgarien und Spanien. Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag