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Thomas Raab



Frage: Erinnern Sie sich noch, wann Sie Ihren ersten Kriminalroman gelesen haben?

Thomas Raab: Ich war als spätberufener Leser ein begeisterter Anhänger der Kindkrimireihe, die drei??? von Alfred Hitchcock. Spätberufen, weil mir die Pflichtlektüren während meiner Schulzeit beinah nachhaltig die Freude am Lesen verdorben hat.

Frage: Was interessiert Sie an Kriminalliteratur?

Thomas Raab: Sie flirtet mit der Harmoniesucht, dem Forschergeist und der Lösungsphobie des Menschen. Allem will er auf die Spur kommen (außer sich selbst), und so ein Krimi hinterlässt den Leser meistens derart mit dem aufgeklärten Gefühl "Ah, so war das!", als wäre er selbst draufgekommen. Befriedigend!

Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?

Thomas Raab: Meine Frau hat ein Jahr in München gearbeitet und mich während der Woche quasi sitzen lassen. Und was machen Männer, die sitzen gelassen werden? Wir sind ja viel braver als die Welt von uns denkt. Ich hab' mir in diesen einsamen Stunden einen Herzenswunsch erfüllt, die Trägheit überwunden und zu schreiben begonnen. Der Rest fällt in die Kategorie "Wunder".

Frage: Warum schreiben Sie Krimis?

Thomas Raab: Wahrscheinlich weil ich, wie mein Mathestudium verrät, auch ein sehr analytischer Mensch bin, und mir dieses vielschichtig vernetzte Denken total Spaß macht. Zu irgendetwas war es offenbar gut, mich jahrelang durch diesen Wulst aus Zeichen und Zahlen gekämpft zu haben. Hat lang gedauert, auf den Sinn dieser Marter zu kommen. Dem Metzger sei Dank.

Frage: Seit wann schreiben Sie Kriminalromane?

Thomas Raab: seit 2006

Frage: Ihre erste Krimi-Veröffentlichung?

Thomas Raab: Der Metzger muss nachsitzen (Leykam 2007)

Frage: Kennen Sie deutsche Kriminalromane, und wenn ja, welche Meinung haben Sie zu deutscher Kriminalliteratur?

Thomas Raab: Lerne sie erst jetzt kennen, weil ich da natürlich ein zusätzliches Interesse entwickelt habe. Bin sehr begeistert über einige Autoren, die wir in Österreich leider viel zu wenig kennen, weil der Markt von schwedischen, finnischen Krimis momentan sehr dominiert wird. Übersetzungen können selten mit der Originalsprache des Autors mithalten, umso mehr sollte der deutschsprachige Krimi in den Regalen ganz vorne liegen.

Frage: Gibt es einen Krimiautor / eine Krimiautorin, der oder die Sie beeinflusst hat?

Thomas Raab: Das waren nicht nur Krimiautoren. Und warum man was wie schreibt, lässt sich wahrscheinlich nur während ausführlicher Psychotherapie ergründen.

Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?

Thomas Raab: Ja, das ist mir ein schweres Anliegen. Die gegenwärtige Welt durchaus mit kritischem Geist und kräftiger Würze zu durchleuchten.

Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?

Thomas Raab: Da sag' ich bewusst nichts, weil ich in meinen Büchern nur die Phantasie Orte und Menschen erzeugen lassen will. Genau das ist für mich das Spannende beim Lesen und Schreiben. Abenteuer im Kopf, wie's so schön heißt, aber dann von A bis Z.

Frage: Halten Sie das Schreiben von Kriminalromanen für schwieriger oder weniger schwieriger als das Schreiben in einer anderen Literaturgattung?

Thomas Raab: Das kann ich nicht beurteilen. Ich denke aber, dass hier jede Wertung oder Herabsetzung der einen vor der anderen Gattung nichts als das blanke Hirngedudel aufmerksamkeitsbegieriger Köpfe ist. Es gibt gute und schlechte Bücher, und das quer durch den Gemüsegarten.
Und was das Schreiben betriff, gibt es immer den Punkt, wo das Weiterschreiben Überwindung kostet, oder das Nacharbeiten, ob Prosa oder Lyrik, Comic oder Kochbuch.

Frage: Welches (Sub-)Genre der Kriminalliteratur bevorzugen Sie?

Thomas Raab: Ich esse auch nicht nur Schnitzel mit Kartoffelsalat. Gesunde Ernährung braucht es auch beim Lesen, was soviel bedeutet wie: Vielfalt und Abwechslung.

Frage: Findet Ihrer Meinung nach der Kriminalroman im Feuilleton gebührende Beachtung?

Thomas Raab: Ich denke schon. Gerade in Österreich hat sich da die letzen Jahre sehr viel in eine positive Richtung getan.

Frage: Arbeiten Sie zur Zeit an einem neuen Kriminalroman / an einer neuen Krimistory?

Thomas Raab: Momentan produziere ich das Hörbuch zum ersten Metzger-Roman und schreibe am Dritten. Mensch, hab' ich ein wunderbares Leben.

Frage: Halten Sie das Genre Kriminalliteratur für eine wichtige Literaturgattung?

Thomas Raab: Ich erlaube mir nicht, Literatur in wichtig und unwichtig zu unterscheiden. Mit dieser unbeantwortbaren Frage, sollen sich andere Köpfe, die aus welchen Gründen auch immer meinen, es stünde ihnen zu, auseinandersetzten.

Frage: Sex im Krimi?

Thomas Raab: So, dass es sich wohlig anfühlt, ja, es einem warm wird im Bauch, aber nicht weiter unten.

Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?

Thomas Raab: Für diese Frage hab' ich das falsche Geschlecht.

Frage: Für wen schreiben Sie?

Thomas Raab: Für mich und mein Leben.

Frage: Plotentwicklung - Ihr erster Gedanke?

Thomas Raab: Wen lasse ich wo, wie und warum über die Klinge springen.

Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?

Thomas Raab: Notizen mache ich keine. Das Schönste am Schreiben ist die Freiheit. Natürlich steck' ich mir einige Ecken ab, vor mir immer die Pinnwand mit Namen und Gegenständen, aber mehr nicht. Dieses Fließen ist einfach wunderbar, wenn dann ganz plötzlich irgendwer im Hirn daherkommt und aus einem Y ein X wird, ist das, als hätte man kurzfristig mit dem Himmel Kontakt. Was alles in uns schlummert, das ist das Überraschende; beim Schreiben wird das Unbekannte provoziert - spannend, wer und was da aus den Ecken schleicht.

Frage: Wo schreiben Sie?

Thomas Raab: Immer am selben Platz in meinem Arbeitszimmer, so als würde mich dort eine geistige Käseglocke erwarten.

Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?

Thomas Raab: Ganz im Gegenteil, alles ist jederzeit griffbereit. Der Bildschirm muss nur ausreichend groß sein.

Frage: Welchen Kriminalroman hätten Sie selber gerne geschrieben?

Thomas Raab: Undenkbar dieser Gedanke. Ich bin froh über jedes gute Buch, das ich lesen darf. Und das ist schon wirklich mehr als genug.

Frage: Haben Sie Kontakt zu deutschen Kollegen/Kolleginnen?

Thomas Raab: Ich bin Syndikats-Mitglied, an dieser Stelle einen großen Kniefall vor dieser tollen Organisation so engagierter Menschen, und da ergibt sich automatisch ein Kontakt, ein sehr herzlicher. Und bei großen Leseveranstaltungen trifft man auch den einen oder anderen Kollegen, zumeist sind das ausgesprochen nette, unterhaltsame Begegnungen.

Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?

Thomas Raab: meine Phantasie

Frage: Mord - muss das sein?

Thomas Raab: Was soll ich darauf antworten. In meinen Büchern muss es sein, sonst wird's kein Krimi, außerhalb der Bücher wünscht man so manchem den Tod, Kinderschändern, die weniger lang im Knast sitzen als Bankräuber samt der Justiz, Menschen, die von der Menschlichkeit so weit entfernt sind wie ein Wahlversprechen von der Wahrheit, Selbstmordattentätern auf der Fahrt zum Attentat ... Aber Menschen den Tod wünschen, in einer Welt die wir selbst gestalten, ist Selbstbetrug.

Frage: Wer ist überschätzt?

Thomas Raab: der Erfolgreiche

Frage: Wer ist unterschätzt?

Thomas Raab: der kleine Dicke in der letzten Reihe

Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?

Thomas Raab: Das kleine Ich bin Ich

Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?

Thomas Raab: Das ändert sich ständig. Momentan von Daniel Glattauer: Die Ameisenstraße - einfach genial.

Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?

Thomas Raab: Habe ich keine! Ein Buch bleibt dann in mir stecken, wenn sich nach der letzten Seite ein Trennungsschmerz einstellt, und da gibt es sehr, sehr viele.
Inzwischen kann ich auch ein Buch weglegen, das gar nichts mit mir macht, da gibt es auch sehr, sehr viele.

Frage: Ihr Lieblingsfilm?

Thomas Raab: Habe ich keinen, außer es gilt auch unser Hochzeitsvideo und der Film, als unsere Tochter zum ersten Mal Karotte gelöffelt bekommt - das ist Oskar-reif.

Frage: Ihr Lieblingsgetränk?

Thomas Raab: frisch gepresste Fruchtsäfte

Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?

Thomas Raab: Ich liebe gutes und auch üppiges Essen, am liebsten die Grillente unserer befreundeten Nachbarn, oder wenn meine Frau indisch kocht, Geschnetzeltes, gefüllte Pita ... Seit ich bemerke, dass das Gerücht mit den Männern über dreißig und ihren Schwimmreifen wirklich stimmt, hab' ich echt ein Problem ...

Frage: Kochen Sie?

Thomas Raab: Ab und zu. Und dann sehr, sehr gerne. Allerdings in einer anderen Liga als meine diesbezüglich begnadete Frau, die kocht gemäß Instinkt und mit so viel Liebe, womit wir wieder bei der letzten Frage wären.

Frage: Ihr Lieblingsgericht?

Thomas Raab: siehe oben

Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?

Thomas Raab: Essen gehen ist leider zumeist eine herbe Enttäuschung, je teurer die Lokale desto mehr kommt Shakespeare zum Einsatz: Viel Lärm um nichts.
Und was bitte schlägt schon eine Käsekrainer mit süßem Senf, Ketchup und einem Scherzerl (Anschnitt eines frisches Brotleibes) beim Würstelstand um 2 Uhr morgens.

Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?

Thomas Raab: So wie Gott, oder die Göttin, weil ich bin überzeugt Gott ist weiblich, mich schuf. Weil das natürlich nicht immer geht: Jogginghose und Schlabberleibchen.

Frage: Fußball - ist das ein Thema für Sie?

Thomas Raab: Wie kann man heutzutage an diesem Thema vorbei?
Ich kann damit leben, aber auch ohne. Übrigens, Deutschland wird Europameister, hatte ich im Freundeskreis gewettet ...

Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland?

Thomas Raab: Viele Städte kenn ich leider nicht ausführlich genug, um deren Flair zu inhalieren. München mag ich sehr, Köln und Hamburg.

Frage: Ihr Lieblingsland?

Thomas Raab: Ich hab' so mein Problem mit Grenzen. Und ich hab' gleichzeitig so mein Problem, wenn ich länger keine Berge zu sehen bekomm'.

Frage. Was lieben Sie?

Thomas Raab: Soll ich da jetzt ein Buch herschreiben? Mann, da gibt es so viel. Unerschöpflich. Das beginnt bei meiner Familie und endet beim Basilikumblatt auf einer Tomatenscheibe.

Frage. Was verabscheuen Sie?

Thomas Raab: Menschen, die mit ihrer negativen Energie alles niederwalzen, wie die Lava eines frisch ausgebrochenen Vulkans.

Frage: Beste Schulnote - worin?

Thomas Raab: Mal hier mal da, Abwechslung ist alles.

Frage: Schlechteste Schulnote - worin & warum?

Thomas Raab: Mal hier mal da, Abwechslung ist alles.

Frage: Ihr Traumberuf?

Thomas Raab: Den lebe ich gerade, seit einem Jahr. Schreiben, lesen, musizieren, singen, ...

Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?

Thomas Raab: Na hallo, "Krimi-Kurier" und "Die Alligatorpapiere", gibt's da eine andere Möglichkeit. War mir das reinste Vergnügen!

Homepage: www.thomasraab.com/

Die Befragung erfolgte ohne Zeugen im März 2008.

© Gisela Lehmer-Kerkloh & Thomas Przybilka

Thomas Raab
Geboren 1970 in Wien. Studium der Mathematik und Sportwissenschaften. Parallel dazu erste öffentliche Auftritte als Singer-Songwriter, Pianist und musikalischer Leiter einer renommierten Wiener Musicalschule und diverser Musiktheaterproduktionen. Seit 1997 freischaffender Autor, Komponist, Interpret und Pädagoge.
Sein Roman "Der Metzger muss nachsitzen", der 2007 im weniger bekannten Leykam Verlag erschien, wurde zu einem Überraschungserfolg und in der Sparte "Debüt" für den Glauser-Preis nominiert. Der Rowohlt Verlag sicherte sich bereits 2007 die Taschenbuchrechte für Thomas Raabs Debüt-Krimi. Im Oktober 2008 erscheint das rororo-Taschenbuch "Der Metzger muss nachsitzen".

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Die Kriminalromane:
2007, Der Metzger muss nachsitzen, Leykam Verlag
2008, Der Metzger sieht rot, Leykam Verlag
2008, Der Metzger muss nachsitzen, Rowohlt Verlag, rororo

Die Kriminalkurzgeschichten:
Die Ankunft des Herrn. In: Ein mörderischer Adventskalender: Der Tod hat 24 Türchen von Jan Seghers (Herausgeber) rororo - erscheint im Herbst 2008
Herr Heinrich beschließt zu sterben. In: Schöne Leich' in Wien von Angela Eßer (Hrsg.)Grafit Verlag, 2008
Endspiel. In: Tödliche Elf, Hrsg. v. Sabina Naber, Echo-Verlag Wien 2008
Die Liebe des Anton B. In: Zeitschrift LITERATUR und KRITIK (Sep/2007). In dieser Ausgabe steht die österreichische Kriminalliteratur als Schwerpunkt im Zentrum.

Alle Titel und natürlich jedes andere lieferbare Buch können und sollten Sie bei Missing Link in Bonn bestellen, einer Buchhandlung, die sich auf Sekundärliteratur zum Krimi, auf Kriminalliteratur und auch auf die Beschaffung ausländischer Literatur spezialisiert hat.
Buchhandlung Missing Link
Zweigniederlassung Bonn
Thomas Przybilka
Buschstr. 14
53113 Bonn
Fax: 0228 – 24 21 385
Tel: 0228 – 24 21 383
e-mail: mlbonn@t-online.de
- deutsche Bücher stets porto- und verpackungskostenfrei! - fremdsprachige Titel ab einem Rechnungsendbetrag von EUR 52,00 innerhalb der BRD stets porto- und verpackungskostenfrei!


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Die Befragenden:

Gisela Lehmer-Kerkloh rezensiert Kriminalliteratur. Sie ist Mitglied bei den Sisters in Crime, bei der GVM (Genootschap van Vlaamse Misdaadauteurs), sowie Amiga im Syndikat.
Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht sie regelmäßig ihren "Krimi-Kurier" Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag

Thomas Przybilka verdient seinen Lebensunterhalt als Buchhändler. Er ist langjähriges Mitglied der "Autorengruppe Deutschsprachige Kriminalliteratur Das Syndikat". 1989 baute er das international bekannte "Bonner Krimi Archiv (Sekundärliteratur)" [BOKAS] auf. Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht er regelmäßig seine "Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur zum Krimi." Zahlreiche Publikationen zur Kriminalliteratur in Fachanthologien und -magazinen im In- und Ausland. Kriminalgeschichten in Deutschland, Bulgarien und Spanien. Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag


Die Befragungen von Gisela Lehmer-Kerkloh und Thomas Przybilka
Ein Service der Alligatorpapiere.
Gestaltet von
Alfred Miersch
NordPark Verlag
Klingelholl 53
42281 Wuppertal
Tel.: 0202/51 10 89
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