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Foto: Julia Maetzl

Stefan Slupetzky



Frage: Warum Krimis?

St. Slupetzky: Das ist ein bisschen so, als würde man einen Koch fragen: Warum Tafelspitz? Ich finde, man sollte als Koch auch den Tafelspitz beherrschen. Mit zartbraunen Röstkartoffeln und frischem Apfelkren gehört er ohne Zweifel zu den komplexesten Aufgaben, die man sich in einer Küche stellen kann. Was mich betrifft, so versuche ich mich aber auch an anderen Speisen.

Frage: Was bedeutet deutscher Krimi für Sie?

St. Slupetzky: Alles zwischen Wiener Würstchen und Hamburger. Sehr weit gestreut also, sehr bunt. Ich finde es großartig, dass dieses Feld in den letzten Jahren so aufgeblüht ist.

Frage: Wer ist überschätzt?

St. Slupetzky: Jeder, der von medialen Marktschreiern mit hysterischen Superlativen bedacht wird

Frage: Wer ist unterschätzt?

St. Slupetzky: Die Stillen und Nachdenklichen, meistens.

Frage: Krimi – eine Literaturgattung?

St. Slupetzky: Bei "Gattung" muss ich immer an "begatten" denken. Was mich betrifft, so liebe ich lieber, als zu begatten. Dementsprechend ist auch der Krimi eher eine Literaturliebhaberei für mich, nicht Pflicht, sondern Kür, kein Gefängnis, sondern ein Garten.

Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?

St. Slupetzky: Mit der Österreichischen Bundesbahn: Meine ehemalige Verlegerin hat mich vor etwa fünf Jahren in München dazu aufgefordert, einen Kinderkrimi zu verfassen. Ich habe also (wieder nach Wien zurückgekehrt) zu schreiben begonnen, und schon nach wenigen Sätzen war mir klar: Das wird ein Text für Erwachsene. Für ziemlich erwachsene, jedenfalls.

Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?

St. Slupetzky: Die (kranke) Phantasie

Frage: Mord – muss das sein?

St. Slupetzky: Mord ist zweifellos die Königsdisziplin des Verbrechens, zumindest, was das breite Spektrum jener menschlichen Untaten anbelangt, die ich noch irgendwie nachvollziehen kann. Es gibt nun aber noch weit Schlimmeres, weit Abscheulicheres, als einem anderen den Schädel einzuschlagen: Wenn ein kunstvoll ausgeführter Mord die Formel-1 ist, dann sind die Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik, zwischen Markt und Militär, zwischen Raffgier, Krieg und Elend die reinen Tarnkappenbomber. Zu abgehoben, zu unmenschlich, um mich nicht sprachlos zu machen. Und sprachlos kann ich nicht schreiben.

Frage: Warum schreiben Sie?

St. Slupetzky: Weil ich nichts Ordentliches gelernt habe.

Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?

St. Slupetzky: Sie bildet sich selbst ab, durch mich. Ich glaube, das geht gar nicht anders: Wie wir alle bin ja auch ich ein Opfer der Gegenwart, wenn Sie so wollen. Das lässt sich beim Schreiben nicht unterdrücken.

Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?

St. Slupetzky: Überall dort, wo es die Handlung atmosphärisch unterstreicht oder bewusst konterkariert. Es sollte ein Spiegel der Vorgänge sein, manchmal auch ein Zerrspiegel.

Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?

St. Slupetzky: Ich liebe diese Frage! Was man nicht alles – immer wieder aufs Neue – tun muss, um seinen Körper in Schuss zu halten: Zähne putzen, duschen, rasieren, Kopf waschen, Nägel und Nasenhaare schneiden, zum Arzt gehen, und so weiter und so fort. Eine lebenslange, nervtötende Routine. Essen und Trinken, das sind die einzigen all dieser täglichen Wartungsarbeiten, die mir wirklich Freude machen.

Frage: Sex im Krimi?

St. Slupetzky: Ja und Nein

Frage: Wenn ja, warum?

St. Slupetzky: Weil Sex eines der prägnantesten Resultate von, aber auch einer der stärksten Auslöser für Emotionen ist. Und wir arbeiten schließlich mit Emotionen, oder? Romantik, Ekstase, Leidenschaft, Hass und Zärtlichkeit, all das lässt sich nicht zuletzt mit der Beschreibung sexueller Handlungen ausdrücken. Auch enervierende Langeweile, nebenbei: Liebe oder Begattung, gewissermaßen Tabus haben meiner Ansicht nach nichts verloren in der Schriftstellerei. Oder gibt es etwa Kaffeesieder, die nur koffeinfrei arbeiten?

Frage: Wenn nein, warum?

St. Slupetzky: Weil Sex, der nur dem Selbstzweck dient, zur Pornographie verkommt. Wobei mich der moralische Aspekt absolut nicht interessiert. Nur: Wer sich weichteilmäßig stimulieren will, kann zu Beate Uhse pilgern. Da steht dann wenigstens drauf, was drin ist. Pornographie in der Belletristik bewirkt eher das Gegenteil: Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?

St. Slupetzky: Selbstverständlich. So wie es auch Frauentaschenlampen und Frauensuppenlöffel gibt.

Frage: Für wen schreiben Sie?

St. Slupetzky: Für mich. Anders geht es nicht.

Frage: Plotentwicklung – Ihr erster Gedanke?

St. Slupetzky: Der erste Gedanke ist zumeist ein Bild, ein (nicht selten) absurder Vorgang, eine von jeglichem Konzept völlig unbeeinflusste Szene. Ein Rätsel, das ich mir sozusagen selbst stelle. Die Handlung baut sich dann nach und nach schichtförmig darum auf, solange, bis feststeht: Es kann sich gar nicht anders abgespielt haben.

Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?

St. Slupetzky: Ja, ich mache mir Notizen. Aber ich könnte sie im Grunde gleich darauf in den Papierkorb werfen: Ich sehe mir diese Notizbücher, Servietten, Schmierzettel und Textdateien nie wieder an.
Ideen sind ein Mysterium. Mozart hat auf dieselbe Frage sinngemäß geantwortet: "Sehen Sie sich doch um, die Luft ist voll davon! Ich brauche mir nur noch die besten herauszupicken und niederzuschreiben ..." Es ist schon ein magisches Gefühl, wenn die Figuren eigenmächtig zu agieren beginnen, wenn die Sätze von selbst ins Gehirn fallen. Als wäre man ein Radioapparat, in dem ja auch kein winziges Orchester sitzt, sondern der nur verstärkt, was schon in der Luft liegt, schon da ist.

Frage: Wo schreiben Sie?

St. Slupetzky: In meinem Arbeitszimmer, am Computer.

Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?

St. Slupetzky: Nur manchmal, wenn ich Computerpatiencen lege oder Fragebögen beantworte.

Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?

St. Slupetzky: Kon-Tiki von Thor Heyerdahl.

Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?

St. Slupetzky: So viele. Aber ein Dauerbrenner, der mich seinerzeit an den Rand der letalen Harnverhaltung gebracht hat, weil ich ihn nicht aus der Hand legen konnte, ist "Das Parfüm".

Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?

St. Slupetzky: Ich bin ja an sich kein manischer Krimileser. Nur heuer, weil mir die Ehre zuteil wurde, in der Jury für den nächsten Glauser zu sitzen. Sei's drum, meine Wahl fällt auf Friedrich Dürrenmatt.

Frage: Ihr Lieblingsfilm?

St. Slupetzky: "Die Abenteuer des Herrn Picasso", "Themrock", "Und täglich grüßt das Murmeltier"

Frage: Ihr Lieblingsgetränk?

St. Slupetzky: Das ist wetter- und stimmungsabhängig. Aber ein Getränk nehme ich ausnahmslos täglich zu mir, nämlich Kaffee. Mit Koffein.

Frage: Kochen Sie?

St. Slupetzky: Selten, aber gerne. Palatschinken, Paprikahendl, Fleischlaberln mit Erdäpfelpüree, manchmal auch etwas exotischere Dinge wie Panna Cotta mit geriebenen Chilischoten (köstlich!)

Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?

St. Slupetzky: Ich lebe in einer beinahe dörflichen Gegend von Wien. Ein malerisch begrünter Kirchenplatz, verkehrsberuhigt und voller Kaffeehäuser, Bars und Restaurants. Italienische, arabische, japanische, ceylonesische, aber natürlich auch gutbürgerlich wienerische Küche. Das muss man unterstützen.

Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?

St. Slupetzky: Meine Kontaktlinsen.

Frage: Fußball – ist das ein Thema für Sie?

St. Slupetzky: Durchaus. Cordoba, sag ich nur. Woran sich schon erkennen lässt, dass mein Interesse eher Länder- als Clubturnieren gilt. (Auf die Gefahr hin, jetzt mit einer Wagenladung Drohbriefen bedacht zu werden: Dass beim letzten EM-Halbfinale das triste griechische Sicherheitsspiel über die fesselnde tschechische Ballkunst triumphiert hat, hat mich mal wieder schwer getroffen.)

Frage: Frauen/Männer – ist das wichtig für Sie?

St. Slupetzky: Eines der großen Mysterien. Grund für lange persönliche Irrfahrten, die mich durch aufgewühlte Meere bis an den Rand des Abyssus brachten. Erst als ich resignierte, die Suche aufgab und mein weiteres Geschick den Elementen überließ, hat mich ein gütiger Wind in den ersehnten Heimathafen geweht. Schön, nicht?

Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland?
St. Slupetzky: Jetzt habt Ihr mich aber erwischt ... So viele deutsche Städte kenne ich nicht. Oh ja, doch, Leipzig gefällt mir wirklich gut.

Frage: Ihr Lieblingsland?

St. Slupetzky: Als Wohnsitz: Österreich, möglicherweise auch Irland. Als Urlaubsland: Griechenland. Als Traumziel: Polynesien.

Frage: Was lieben Sie?

St. Slupetzky: Selbstvergessenheit. Echtheit. Meine Freundin. Meine Tochter. Meine Freunde.

Frage: Was verabscheuen Sie?

St. Slupetzky: Zerstörerische, skrupellose Gier. Mit einem Wort: Wirtschaftsliberalismus.

Frage: Beste Schulnote – worin?

St. Slupetzky: Deutsch und Kunsterziehung.

Frage: Schlechteste Schulnote – worin & warum?

St. Slupetzky: Mathematik. Weil der Unterricht lähmend und der Zeitpunkt zu früh dafür war: Inzwischen halte ich Mathematik und Physik für enorm spannende Wissensgebiete. Aber jetzt ist es zu spät, jetzt bin ich ja schon Schriftsteller.

Frage: Ihr Traumberuf?

St. Slupetzky: Privatier.

Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?

St. Slupetzky: Erstens: Wir Wiener sind höfliche Menschen. Zweitens: Das Interesse an meiner Person und an meinen Gedanken ehrt mich. Drittens: Irgendwie hat es auch ziemlichen Spaß gemacht


Stefan Slupetzky
Geboren 19. 9.1962 in Wien. Stefan Slupetzky studierte an der Wiener Akademie der bildenden Künste (Studiengänge Medailleurkunst, Kleinplastik und Lehramt). Nach Abschluß seines Studiums experimentierte Stefan Slupetzky auf vielen Feldern: Malen, Zeichnen, Jazzen, Unterrichten und als Erzähler von Kindergeschichten. Und dann Schreiben. Zunächst Theaterstücke, danach Romane und Erzählungen für Kinder und Jugendliche – insgesamt 11 Kinderbücher (zu 14 Kinderbüchern lieferte der Autor die Illustrationen).

2004 erschien sein erster Kriminalroman "Der Fall des Lemming". Stefan Slupetzky bezeichnet diesen Roman als seine "2. Geburt": " ... Jetzt weiß ich, wo ich mich zu suchen habe, übers Schreiben definiere ich mich, es führt mich an die Grenzen, die mich ausmachen. Ein schönes Gefühl ... ". Das Gefühl dürfte sich noch schöner angefühlt haben, als der Autor für diesen Kriminalroman im Jahr 2005 mit dem "Friedrich-Glauser-Preis – Krimipreis der Autoren" in der Sparte Debüt ausgezeichnet wurde.

Stefan Slupetzky lebt mit Tochter und seiner Lebensgefährtin, der Fotografin Julia Maetzl in Wien.

Homepage:
http://members.chello.at/st.slup

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Die Kriminalromane:
2004, Der Fall des Lemming. rororo 23553
2005, Der Fall des Lemming. rororo 23978
2005, Lemmings Himmelfahrt. rororo 23882




Stand: August 2005
© Gisela Lehmer-Kerkloh & Thomas Przybilka

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Die Befragenden:

Gisela Lehmer-Kerkloh rezensiert Kriminalliteratur. Sie ist Mitglied bei den Sisters in Crime, bei der GVM (Genootschap van Vlaamse Misdaadauteurs), sowie Amiga im Syndikat.
Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht sie regelmäßig ihren "Krimi-Kurier" Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag

Thomas Przybilka verdient seinen Lebensunterhalt als Buchhändler. Er ist langjähriges Mitglied der "Autorengruppe Deutschsprachige Kriminalliteratur Das Syndikat". 1989 baute er das international bekannte "Bonner Krimi Archiv (Sekundärliteratur)" [BOKAS] auf. Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht er regelmäßig seine "Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur zum Krimi." Zahlreiche Publikationen zur Kriminalliteratur in Fachanthologien und -magazinen im In- und Ausland. Kriminalgeschichten in Deutschland, Bulgarien und Spanien. Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
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