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Bob Mendes

Frage: Warum Krimis?

Bob Mendes: Weil in der Kriminalliteratur mehr Wert auf Spannung und Intrige gelegt wird als auf einen perfekt formulierten Satz oder eine literarische Höchstleistung. Die Konsequenz ist, dass der Leser mitdenkt, zu antizipieren versucht, seine Aufmerksamkeit auf die Aufklärung der Ereignisse richtet. Dieser Prozess führt zur Essenz des Schreibens: gelesen werden.

Frage: Was bedeutet deutscher Krimi für Sie?

Bob Mendes: Sowohl deutsch- als auch niederländisch sprachige Krimis haben in den letzten 10 Jahre einen enormen Fortschritt gemacht und müssen sich nicht mehr vor den traditionellen Vorbildern aus der anglo-amerikanschen Buchwelt verstecken.

Frage: Wer ist überschätzt?

Bob Mendes: Ich möchte hier keinen Namen nennen, aber Bestseller werden häufig überschätzt. Manchmal sind das "Projekte" von einem Herausgeber in Zusammenarbeit mit Zeitung, TV und Filmgesellschaft, die zum selben Konzern gehören, zuweilen mit der Absicht ein erfolgreiches Debüt "zu melken". Es betrifft meistens Feuilleton- oder Serienbücher (die gleichen Protagonisten, settings, Themen), die durch Riesenmarketing oder versteckte Werbekampagnen in Radio, TV und Film getragen werden.

Frage: Wer ist unterschätzt?

Bob Mendes: Meistens schwimmt Fett oben, auch gute Bücher, man muss Qualität nicht immer an der Anzahl der verkauften Exemplare messen.

Frage: Krimi – eine Literaturgattung?

Bob Mendes: Sowie in jedem Genre gibt es allein den Unterschied zwischen guten und weniger guten Büchern. In Amerika wird die Abgrenzung der Literaturgattungen weniger gemacht. So wurde ich beim Erscheinen von meinem Buch "Vergelding" (De Golden Strop 1993) von der Library of Congress, dem höchsten literarischen Organ von Amerika, zu einer Lesung nach Washington ins Archiv of Modern Literature on Tape eingeladen. Weiterhin empfing Stephen King vor kurzem die höchste literarische Auszeichnung. In Belgien und Deutschland ist weder das eine noch das andere denkbar. Einer von den Gründen ist, dass in der Kriminalliteratur viele Genres enthalten sind, aber alles wird über einen Kamm geschoren: der schreierische Groschenroman mit dem blutigen Messer auf dem Cover wird in den selben Topf geworfen wie der detailliert ausgearbeitete Themen-, Faction-, Technik- und Gerichtskriminalroman oder der Thriller mit psychologischen Qualitäten.

Wie war die Frage noch mal?

Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?

Bob Mendes: Ich wollte schreiben was ich gerne las: spannende Bücher mit einem Mehrwert, d.h. Bücher die Spannung und Intrige enthalten und gleichzeitig Informationen über ein Thema, einen Hintergrund, ein Ereignis vermitteln.

Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?

Bob Mendes: Vernunft - die Toten sterben meist ungewollt. Der Gute muss den Schlechten mit seiner Vernunft besiegen.

Frage: Mord – muss das sein?

Bob Mendes: Nein! Ich schreibe selten über oder vom Standpunkt des klassischen Mörders aus. Wenn es in meinen Büchern einen gewollten Mord oder Totschlag gibt, geschieht dies aus Rache ("Vergelding" - De goulden Strop 1993), aus Gerechtigkeitsgefühl ("Bloedrecht"), oder aus Selbstverteidigung ("De smaak van vrijheid" 1999, dt. der Geschmack der Freiheit, 2000).


Frage: Warum schreiben Sie?

Bob Mendes: Schreiben ist wie Opium, unvorstellbar süchtig machend. Darüber hinaus lebt man zwei Leben zugleich: das Wirkliche und das Fiktive. Und wer will nicht ewig leben?

Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?

Bob Mendes: Das ist genau der wachsende Erfolg von Kriminalromanen. Kein anderes literarisches Genre zeigt so vollkommen "das Leben wie es ist".

Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?

Ich schreibe "Faction", d.h. die Vermischung von Fakten und Fiktion. Ich recherchiere die bekannten Fakten und Hintergründe der Ereignisse und schreibe dann eine ausgedachte Geschichte mit realen Personen unter falschen Namen oder fiktiven Personen und echten Namen darüber. Das Setting ist also vom gewählten Thema abhängig und in fast allen meinen Büchern verschieden.

Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?

Bob Mendes: Nur wichtig wenn es in die Geschichte passt. So wurde mein Thriller "Der Geschmack der Freiheit" um ein Galadiner in Weimar aufgebaut. Die Getränke und die Gespräche führen mehrere von den Eingeladenen 40 Jahre zurück nach Buchenwald, ihr Leben und ihre Flucht aus dem Lager. Höhepunkt ist die Frage "wer soll leben" und "wer soll sterben".

Frage: Sex im Krimi?
Wenn ja, warum?


Bob Mendes: Nur wenn er eine Funktion in der Geschichte erfüllt. Jeder gute Thriller muss 3 Elemente haben: 1. Spannung und Intrige, 2. Gefühle = Liebe und Hass, 3. Information. Sex fällt also unter Punkt 2. Liebe /Hass, die Eigenschaften, die uns von den Tieren unterscheiden. Wie im richtigen Leben ist bei der Einführung der weiblichen /männlichen Figuren die sexuellen Beziehungen ein wichtiges Geschehen. In der richtigen Dosierung können Sexszenen Einblick in die Charaktere geben, ein übermäßiger oder schlechter Gebrauch von Sex kann dem Buch ein vulgäres Niveau geben.

Frage: Wenn nein, warum?

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Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?

Bob Mendes: Wie im richtigen Leben üben Männer auch in der Literatur mehr Gewalt und Verbrechen aus wie Frauen. In der Kriminalliteratur findet man mehr "Macho"-Autoren als in anderen Genres. Das Gegenteil sind die gefühlsbetonten Autoren wie z.B. Ken Follett. Aus einem Grund, den ich nicht erklären kann, sind die weiblichen Protagonisten in meinen Büchern immer die starken Charaktere, die auf die eine oder andere Weise die bösen Elemente besiegen (vgl. Medeschuldig 2003 und Bloedrecht 2001).

Frage: Für wen schreiben Sie?

Bob Mendes: Vor allem für mich selbst. Warum? Nicht wegen des Geldes. Als früherer Wirtschaftsprüfer muss ich das nicht. Warum dann? Soll man es Abhängigkeit nennen? Oder Idealismus? Oder Sehnsucht nach dem ewigen Leben? Aber wichtig ist: DIE ESSENZ DES SCHREIBENS IST GELESEN WERDEN. Eigentlich schreibt also jeder für den LESER.

Frage: Plotentwicklung – Ihr erster Gedanke?

Bob Mendes: Mein erster Gedanke beginnt meistens mit einem Thema oder einem Ereignis das mich anspricht. Das Heizeldrama mit 40 Toten in Een dag van schaamte. Die Entführung eines belgischen Ex- Premierministers in De Fraudejagers. Der Verkauf der Atomwaffe an Sadam Hoessein in Vergelding , Computermafia in Link (dt. Cybermafia - Knaur); das Massaker von Sabra und Sjatilja in Medeschuldig. Bei der Entwicklung von Figuren, die in die gewählten Ereignisse/Themen passen entsteht von selbst die Entwicklung des Plots.

Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?

Bob Mendes: Aufgrund des hohen Realitätsgehalts meiner Thriller recherchiere ich sehr viel. Ich schlage viele Informationen nach, recherchiere per Internet, sammele Zeitungsartikel, suche in der Literatur, interviewe Beteiligte (Polizisten oder z.B. frühere SS-Mitglieder, frühere Widerstandskämpfer und frühere Gefangene von Buchenwald in Der Geschmack der Freiheit). Oftmals entwickeln sich die Ideen während dieser Recherchen.

Frage: Wo schreiben Sie?

Bob Mendes: In einem geräumigen, hellen Arbeitszimmer mit Ausblick auf eine waldreiche Umgebung.

Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?

Bob Mendes: Ich arbeite mit 2 Computern. Ich schreibe auf einem Laptop, der geräuschlos und nicht ans Internet angeschlossen ist, so dass die Gefahren von Viren klein bleiben. Zugleich habe ich einen PC für den Internetzugang, E-Mails und viele andere Programme. Um ganz ehrlich zu sein: ich fürchte, dass ich mit der Hand kein Buch mehr schreiben könnte.

Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?

Bob Mendes: Ich war schon immer ein leidenschaftlicher Leser und den echten Kinderbüchern schnell entwachsen. Als 12 jähriger waren es während der Kriegjahre Gods Geuzen von dem in Englisch schreibenden Niederländer Jan de Hartog und vor allem Van het wesrelijk front geen nieuws und Arc de Triomf von Erich Maria Remarque, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?

Bob Mendes: Zu viele, um sie zu nennen. Als letztes gelesenes Buch: Martin Cruz Smith: December 6

Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?

John le Carrè, John Hayden

Frage: Ihr Lieblingsfilm?

Bob Mendes: A fish called Wanda

Frage: Ihr Lieblingsgetränk?

Bob Mendes: Ab und zu einen Sherry Dry

Frage: Kochen Sie?

Bob Mendes: Manchmal vor Wut (über das Unrecht in der Welt)

Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?

Bob Mendes: Regelmäßig in "The 19th Hole" in meinem Sportclub.

Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?

Bob Mendes: Sportkleidung beim Schreiben und beim Golfspiel. Hemd und Krawatte (verpflichtet) in "The 19th Hole".

Frage: Fußball – ist das ein Thema für Sie?

Bob Mendes: Mein Debüt hatte den Titel "Een dag van schaamte" (1988) mit dem Untertitel: "Kriminalroman um das Heizeldrama".
Wer es nicht weiß: das Heizeldrama war ein Streit zwischen Anhängern von Liverpool und Juventus Turin während eines Fußball-Europapokalendspiels am 29. Mai 1985 mit 40 Toten und ca. 400 verletzten im Heizelstadium in Brüssel.

Frage: Frauen/Männer – ist das wichtig für Sie?

Bob Mendes: Als Mann glaube ich aufrecht, dass "die Frau" Gottes am meisten gesegnete Schöpfung ist. Vielleicht weil ich das Glück habe mit der idealen Schriftsteller-Ehefrau verheiratet zu sein, die davon überzeugt ist, dass ich der beste Schriftsteller der Welt bin.

Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland?

Bob Mendes: Sorry, aber jede Stadt hat ihren eigenen Charme.

Frage: Ihr Lieblingsland?

Bob Mendes: Ich habe seit meiner Jugend viele Länder besucht, immer gab es einen anderen Grund ein bestimmtes Land zu wählen, aber letztendlich ist für jeden "Oost West, Thuis Best". Wenn ich einmal umziehen müsste, dann in die Provence.

Frage: Was lieben Sie?

Bob Mendes: Sonne, Liebe, Kameradschaft; das Leben kann schön sein.

Frage: Was verabscheuen Sie?

Bob Mendes: Neid, Unrecht, sinnlose Gewalt.

Frage: Beste Schulnote – worin?

Bob Mendes: Niederländische Sprache (Anlage zum Schreiben) und Buchhaltung (vermutlich in einem früheren Leben gelernt).

Frage: Schlechteste Schulnote – worin & warum?

Bob Mendes: Im Allgemeinen fremde Sprechen (Französisch, Deutsch), vermutlich weil ich nicht die Geduld hatte die schwierige Grammatik/Dative zu verstehen.

Frage: Ihr Traumberuf?

Bob Mendes: Der Traumberuf ist, was man gerne macht und worin man gut ist. Jeder Mensch hat eigene Gaben und Talente. Die Kunst ist die eigenen zu entdecken, um glücklich zu leben. Ich war zufrieden mit meinem Schicksal als externer Buchhalter/Wirtschaftsprüfer und als Schriftsteller ist für mich jeder Tag ein Fest.

Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?

Bob Mendes: Ehrlich gesagt: nein. Aber wenn eine Antwort darin steht, die andere interessiert, dann bin ich zufrieden.



Bob Mendes
Bob Mendes (Pseudonym von David Mendes) wurde 1928 in Belgien geboren. Bis 1989 war er als Buchhalter/Wirtschaftsprüfer tätig, dann wurde er Vollzeit-Schriftsteller. Bob Mendes hat 14 Thriller, 2 Gedicht-Sammlungen, 4 Bücher mit Shortstorys und 2 Stücke veröffentlicht. Seine Bücher werden in Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Tschechisch gelesen. Bob Mendes wurde für Vergelding 1993 und De kracht van het vuur 1997 mit dem niederländischen Krimipreises "De Gouden Strop" (dt. Der goldene Strick) ausgezeichnet. Er schreibt Thriller, die auf historischen Ereignissen beruhen.

In 2002 gründete er die Vereinigung belgischer Krimiautoren "Genootschap van Vlaamse Misdaadauteurs", die jedes Jahr den prestigeträchtigen Preis die "De Diamanten Kogel" verleiht. Bob Mendes ist Ehrenpräsident "Genootschap van Nederlandstalige Misdaadauteurs" und Vorsitzender des Belgischen Zweigs der AIEP/IACW (International Association of Crime Writers).




Homepage:
www.mendes.be

Die Krimis/Die Krimikurzgeschichten:

1986, Bestemming terreur. Facet
1988, Een dag van schaamte. Manteau
1989, Het chunnel syndroom. Manteau (engl. Übersetzung)
1990, De vierde soera. Manteau
1991, De fraudejagers. Manteau
1992, Vergelding. Manteau (engl. Übersetzung)
1993, Rassen/Rellen. Manteau
1994, Link. Manteau (dt. )
1995, Meedogenloos. Krimikurzgeschichten
1996, De kracht van het vuur. Manteau
1998, Manteau (dt., franz., spanische Übersetzung)
1999, De smaak van vrijheid. Manteau (dt. Übersetzung)
2000, Dirty Dancing
2001, Bloedrecht. Manteau (franz. Übersetzung)
2002, Plaats van de misdaad. Vlaanderen. De beste misdaadverhalen uit Vlaanderen. Hg. Bob Mendes
2003, Medeschuldig, Manteau
2004, Spannende Verhalen, Manteau
2005, Stukken van mensen
2005, De kracht van het bloed
2006, Vermoorde Onschuld
2007, Overspel


Stand: 18. Januar 2004

© Gisela Lehmer-Kerkloh & Thomas Przybilka

Alle Titel und natürlich jedes andere lieferbare Buch können und sollten Sie bei Missing Link in Bonn bestellen, einer Buchhandlung, die sich auf Sekundärliteratur zum Krimi, auf Kriminalliteratur und auch auf die Beschaffung ausländischer Literatur spezialisiert hat.
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Die Befragenden:

Gisela Lehmer-Kerkloh rezensiert Kriminalliteratur. Sie ist Mitglied bei den Sisters in Crime, bei der GVM (Genootschap van Vlaamse Misdaadauteurs), sowie Amiga im Syndikat.
Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht sie regelmäßig ihren "Krimi-Kurier" Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag

Thomas Przybilka verdient seinen Lebensunterhalt als Buchhändler. Er ist langjähriges Mitglied der "Autorengruppe Deutschsprachige Kriminalliteratur Das Syndikat". 1989 baute er das international bekannte "Bonner Krimi Archiv (Sekundärliteratur)" [BOKAS] auf. Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht er regelmäßig seine "Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur zum Krimi." Zahlreiche Publikationen zur Kriminalliteratur in Fachanthologien und -magazinen im In- und Ausland. Kriminalgeschichten in Deutschland, Bulgarien und Spanien. Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag



Die Befragungen von Gisela Lehmer-Kerkloh und Thomas Przybilka
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