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Foto: Erol Gurian

Heidi Rehn

Frage: Erinnern Sie sich noch, wann Sie Ihren ersten Kriminalroman gelesen haben?

Heidi Rehn: Den ersten "erwachsenen" mit 12 oder 13. Es war eines dieser rot-schwarzen Edgar-Wallace-Bändchen, den Titel weiß ich leider nicht mehr. Mein großer Bruder hatte die im Regal stehen, und ich habe mir heimlich eins genommen, es gelesen, aber leider nicht richtig verstanden.

Frage: Was interessiert Sie an Kriminalliteratur?

Heidi Rehn: Die breite Palette der Möglichkeiten, Neben Action, Spannung und viel Lärm um das Böse bleibt immer auch Raum für leise, nachdenkliche Töne, Gesellschafts- und Sozialkritik kommen ebenso vor wie Satire, Witz und Humor.

Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?

Heidi Rehn: Eher zufällig. Meine damalige Lektorin hat es mir vorgeschlagen, ich habe es probiert und bin dabei geblieben.

Frage: Warum schreiben Sie Krimis?

Heidi Rehn: Mich interessieren Menschen in Extremsituationen, darunter fallen Morde und andere Verbrechen nun einmal. Ich möchte miterleben, was Menschen dann tun: Bleiben sie ihren eigentlichen Wertvorstellungen treu oder erkennen sie sich plötzlich selbst nicht wieder? Gibt es ein eindeutiges, immer klar zu definierendes Gut und Böse? Bringt es uns wirklich weiter, wenn wir das entscheiden?

Frage: Seit wann schreiben Sie Kriminalromane?

Heidi Rehn: Seit knapp fünf Jahren.

Frage: Ihre erste Krimi-Veröffentlichung?

Heidi Rehn: Theos Erbe, erschienen im April 2003 im Emons Verlag Köln.

Frage: Als deutscher Autor: Was bedeutet deutsche Kriminalliteratur für Sie?

Heidi Rehn: Ein zukunftsträchtiges Genre, in dem jeder Autor und jeder Leser findet, was ihn interessiert.

Frage: Gibt es einen Krimiautor / eine Krimiautorin, der oder die Sie beeinflußt hat?

Heidi Rehn: Bewusst nicht, unbewusst ganz sicherlich mehrere.

Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?

Heidi Rehn: Da ich mich in meinen Krimis auf das 19. Jahrhundert konzentriere, ganz sicher nicht im eigentlichen Sinn. Allerdings wiederholt sich Geschichte bekanntermaßen und die menschlichen Verhaltensweisen bleiben über Jahrhunderte gleich. Insofern zeige ich in meinen historischen Krimis nicht nur die damalige Realität, sondern menschliches Verhalten, wie es auch heute praktiziert wird. In allem plausibel und authentisch zu sein, ist mir sehr wichtig: "Nicht erzählen, wie es war, sondern wie es gewesen sein könnte" (Gert Hofmann).

Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?

Heidi Rehn: Immer da, wo ich mich gut auskenne, wo mir die Menschen und ihre Eigenheiten vertraut sind.

Frage: Halten Sie das Schreiben von Kriminalromanen für schwieriger oder weniger schwierig als das Schreiben in einer anderen Literaturgattung?

Heidi Rehn: Das hängt letztlich davon ab, was man durch das Erzählen einer Geschichte erreichen will. Kriminalromane eignen sich nicht für alle Geschichten. Das Genre setzt gewisse (Spiel-) Regeln voraus. Ein Verstoß sollte bewusst geschehen, weil die Geschichte es z.B. erfordert. Er sollte dann allerdings auch in seiner Wirkung auf den Leser genau bedacht werden. Man muss sich also zu Beginn ganz genau überlegen, wie man etwas erzählt. Das kann eine hervorragende Hilfestellung sein, um sich nicht zu verzetteln und den Plot bis zum Ende stringent im Griff zu behalten. Es ist allerdings nicht jedermanns Sache.

Frage: Welches (Sub-)Genre der Kriminalliteratur bevorzugen Sie?

Heidi Rehn: Historische Kriminalromane.

Frage: Findet Ihrer Meinung nach der Kriminalroman im Feuilleton gebührende Beachtung?

Heidi Rehn: Noch nicht, aber es wird stetig mehr.

Frage: Arbeiten Sie zur Zeit an einem neuen Kriminalrorman / an einer neuen Krimistory?

Heidi Rehn: Nein, gerade gibt es eine Pause zugunsten eines größeren Romanprojekts.

Frage: Halten Sie das Genre Kriminalliteratur für eine wichtige Literaturgattung?

Heidi Rehn: Natürlich, es bietet sehr viele interessante Möglichkeiten, Themen und Stoffe auf eine Weise zu erzählen, die in anderen Genres nicht möglich ist. Wo sonst kann man die moralischen Fragestellungen nach Schuld und Sühne so genau auf den Punkt bringen? Wo sonst gibt es so viel Raum für Randfiguren, Konfrontationen der gegensätzlichsten Charaktere, Ansichten, sozialen Schichten? Und das alles noch unter dem Deckmantel der Unterhaltung, also dem Leser nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommen zu wollen, sondern ihn einfach für eine Weile "nur" in Atem zu halten.

Frage: Sex im Krimi? Wenn ja, warum?

Heidi Rehn: Klar, sofern es die Geschichte erfordert. Alles andere wirkt erzwungen, verkrampft und aufgesetzt.

- Wenn nein, warum?

Heidi Rehn: Dito.

Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?

Heidi Rehn: Rückfrage: Gibt es einen "Männerkrimi"? Die Geschlechtereinteilung finde ich überflüssig und bringt uns nicht wirklich weiter.

Frage: Für wen schreiben Sie?

Heidi Rehn: Für meine Leser. Das schönste Kompliment ist, wenn mir jemand sagt, er habe sich während des Lesens meiner Krimis aus seinem Alltag herausgehoben gefühlt und sei ganz und gar in eine andere Welt abgetaucht.

Frage: Plotentwicklung - Ihr erster Gedanke?

Heidi Rehn: Wo der Plot mich und letztlich auch meine Leser hinführen soll.

Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?

Heidi Rehn: Notizen mache ich mir ständig, auf allem, was einem Zettel oder Notizbuch ähnelt, manchmal aber auch "nur" im Kopf. Ideen bekomme ich überall, z.B. wenn ich jemanden in der U-Bahn beobachte, ein spannendes Gesicht auf der Straße entdecke, eine seltsame Gestik beobachte, an der Schlange im Supermarkt ein Gespräch belausche. Natürlich auch, wenn ich beim Lesen auf eine interessante Formulierung stoße oder ein Thema in der Zeitung finde. Die Welt steckt voller Geschichten, man muss sie nur entdecken wollen.

Frage: Wo schreiben Sie?

Heidi Rehn: Am Laptop auf einem Schreibtisch, den mein Großvater vor sehr langer Zeit ganz speziell für meine Bedürfnisse entworfen und gezimmert hat.

Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?

Heidi Rehn: Nein, im Gegenteil. Er gibt mir die Freiheit, vieles auszuprobieren, einfach drauflos zu schreiben, zu löschen, von vorn zu beginnen, bis der richtige Ton für eine Geschichte gefunden ist. Außerdem kann ich ganz nebenbei im Internet recherchieren, was ich gerade noch brauche, was mir spontan in den Sinn kommt.

Frage: Welchen Kriminalroman hätten Sie selber gerne geschrieben?

Heidi Rehn: Eco "Der Name der Rose".

Frage: Haben Sie Kontakt zu ausländischen Kollegen/Kolleginnen?

Heidi Rehn: Leider wenig.

Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?

Heidi Rehn: Verzweiflung.

Frage: Mord - muss das sein?

Heidi Rehn: Leider ja, die Wirklichkeit ist nun einmal so.

Frage: Wer ist überschätzt?

Heidi Rehn: Da will ich lieber keine Namen nennen ...

Frage: Wer ist unterschätzt?

Heidi Rehn: Da könnte ich sehr, sehr viele Namen nennen, vor allem sehr viele deutschsprachige Krimiautoren.

Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?

Heidi Rehn: Erich Kästner "Das doppelte Lottchen". Das konnte ich nahezu auswendig.

Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?

Heidi Rehn: Nur eins? Das hängt von der Stimmung ab, meist allerdings Christoph Meckel "Licht", Markus Orths "Catalina" und Gert Hofmann "Der Kinoerzähler".

Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?

Heidi Rehn: Das wechselt mit jedem guten Krimi, den ich lese.

Frage: Ihr Lieblingsfilm?

Heidi Rehn: Lost in Translation.

Frage: Ihr Lieblingsgetränk?

Heidi Rehn: Ein doppelter Espresso mit frisch gepresster Zitrone, leider nicht zu jeder Tageszeit zu empfehlen.

Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?

Heidi Rehn: Es entspannt. Es gibt nichts Schöneres, als in einer großen Runde mit guten Freunden gutes Essen und Trinken zu genießen.

Frage: Kochen Sie?

Heidi Rehn: Sehr ungern und wenn, dann sehr hektisch. Ich esse lieber und lasse mich bekochen.

Frage: Ihr Lieblingsgericht?

Heidi Rehn: Rheinischer Sauerbraten. Das Rezept hat meine Mutter, ich will gar nicht erst lernen, es selbst zu kochen. Das kann nur schief gehen.

Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?

Heidi Rehn: Sehr gern, derzeit am liebsten bei den kleinen Japanern um die Ecke. Sonst auch gern französisch, italienisch… eben überall, wo gut ist und wo man verwöhnt wird.

Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?

Heidi Rehn: Alles, was schwarz, weiß und rot ist.

Frage: Fußball - ist das ein Thema für Sie?

Heidi Rehn: Besser nicht.

Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland?

Heidi Rehn: Köln.

Frage: Ihr Lieblingsland?

Heidi Rehn: Japan.

Frage. Was lieben Sie?

Heidi Rehn: Meine Familie.

Frage. Was verabscheuen Sie?

Heidi Rehn: Streit in jeder Form.

Frage: Beste Schulnote - worin?

Heidi Rehn: Einsen in Geschichte und Deutsch, das war beides schon immer meine große Leidenschaft.

Frage: Schlechteste Schulnote - worin & warum?

Heidi Rehn: 5-6 in Latein, weil ich dachte, man kommt auch ohne Vokabeln weiter.

Frage: Ihr Traumberuf?

Heidi Rehn: Den habe ich längst: Autorin.

Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?

Heidi Rehn: Nein, Sie?

Die Befragung erfolgte ohne Zeugen im November 2007.

© Gisela Lehmer-Kerkloh & Thomas Przybilka

Heidi Rehn
Heidi Rehn wurde am 18.10.1966 in Koblenz geboren. In München studierte sie Germanistik, Geschichte, Betriebswirtschaftslehre und Kommunikationswissenschaften. Nach dem Abschluß (M.A.) ihres Studiums arbeitete sie zunächst am Institut für Bayerische Literaturgeschichte an der Ludwig Maximilians Universität (München), später wechselte sie als Beraterin in eine PR Agentur.
Seit 1997 arbeitet Heidi Rehn als freie Journalistin und freie Autorin. Angetan von der Geschichte und der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, thematisiert Heidi Rehn diese Zeit in ihren Kriminalromanen. Neben ihren Kriminalromanen liegen von ihr zahlreiche Artikel zu verschiedenen Themen der Kriminalliteratur vor.


Homepage:
www.dierehn.de



Die Krimis:
2003, Theos Erbe, Emons Verlag
2005, Thonets Gesellen, Emons Verlag
2006, Blutige Hände, Emons Verlag
2007, Tod im Englischen Garten, Emons Verlag

Die Krimikurzgeschichten
2003, In Loam dahoam. In: Rubin, Billie (Hg.): Tatort München, Vertigo Verlag
2004, Beichte auf Probe. In: Rubin, Billie (Hg.): Tatort Kanzel, Wittig Verlag
2005, Mutterliebe. In: Göttinger, Juliane (Hg.): Dennoch liebe ich dich, Gipfelbuch Verlag
2006, Das Beltheimer Gericht. In: Tatorte, Kontrast Verlag
2006, Ellas Rückkehr. In: Hinzmann, Silvija / Borcherding-Witzke (Hg.): Mörrrderrrisch legger, Mitteldeutscher Verlag
2006, Das alte Lied. In: Fiees, Martina / Hinzmann, Silvija (Hg.): Nur Bacchus war Zeuge, Emons Verlag
2007: Freiwild. In: Eßer, Angela (Hg.): Mörderischer Westen, Bookspot Verlag

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Alle Titel und natürlich jedes andere lieferbare Buch können und sollten Sie bei Missing Link in Bonn bestellen, einer Buchhandlung, die sich auf Sekundärliteratur zum Krimi, auf Kriminalliteratur und auch auf die Beschaffung ausländischer Literatur spezialisiert hat.
Buchhandlung Missing Link
Zweigniederlassung Bonn
Thomas Przybilka
Buschstr. 14
53113 Bonn
Fax: 0228 - 24 21 385
Tel: 0228 - 24 21 383
e-mail: mlbonn@t-online.de
- deutsche Bücher stets porto- und verpackungskostenfrei! - fremdsprachige Titel ab einem Rechnungsendbetrag von EUR 52,00 innerhalb der BRD stets porto- und verpackungskostenfrei!


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Die Befragenden:

Gisela Lehmer-Kerkloh rezensiert Kriminalliteratur. Sie ist Mitglied bei den Sisters in Crime, bei der GVM (Genootschap van Vlaamse Misdaadauteurs), sowie Amiga im Syndikat.
Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht sie regelmäßig ihren "Krimi-Kurier" Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag

Thomas Przybilka verdient seinen Lebensunterhalt als Buchhändler. Er ist langjähriges Mitglied der "Autorengruppe Deutschsprachige Kriminalliteratur Das Syndikat". 1989 baute er das international bekannte "Bonner Krimi Archiv (Sekundärliteratur)" [BOKAS] auf. Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht er regelmäßig seine "Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur zum Krimi." Zahlreiche Publikationen zur Kriminalliteratur in Fachanthologien und -magazinen im In- und Ausland. Kriminalgeschichten in Deutschland, Bulgarien und Spanien. Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag



Die Befragungen von Gisela Lehmer-Kerkloh und Thomas Przybilka
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