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Bohnet Pleitgen

Frage: Erinnern Sie sich noch, wann Sie Ihren ersten Kriminalroman gelesen haben?

Bohnet Pleigen: "Caius ist ein Dummkopf", ein von Henry Winterfeld 1953 publiziertes Kinder- und Jugendbuch.

Frage: Was interessiert Sie an Kriminalliteratur?

Bohnet Pleitgen: Das Projekt "Ariadne Krimis im Argument Verlag" formuliert beispielhaft unser Interesse an der Kriminalliteratur: "Der Erzählkosmos ist keine heile Welt, die nur durch ein einsames Verbrechen gestört und mit der Lösung des Falls wieder blitzsauber wird, vielmehr zieht ein guter Krimi seine Spannung aus den Lücken, Grauzonen und Fehlern herrschender Moral und "Rechts"-Vorstellung. Genau hier sehen wir die Herausforderung einer zeitgemäßen Krimikultur: eingängig und spannend Geschichten zu erzählen, die gesellschaftliche Widersprüche und Ungerechtigkeiten ausleuchten, Zweifel an kulturellen, moralischen, sozialen Selbstverständlichkeiten wecken, gängige Glücks-, Erfolgs- und Wohlstands-Versprechungen beargwöhnen und herrschende Ideologien, Dogmen und Normen kritisch hintertreiben. Ariadne Krimis neigen zum Subversiven.

Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?

Bohnet Pleitgen: Zum Krimischreiben sind wir selbstverständlich über ein Autorengespann gekommen, besser gesagt durch die Entdeckung ihres Comics "Griffu" (deutsch: "Der Schnüffler", 1977, Jacques Tardi und Jean-Patrick Manchette).
Von dem Schriftsteller Jean-Patrick Manchette stammt folgender Ausspruch: "Ein guter Roman Noir ist ein Sozialroman, ein sozialkritischer Roman, der die Geschichte eines Verbrechens als vordergründige Handlung nimmt."

Frage: Warum schreiben Sie Krimis?

Bohnet Pleitgen: Jean-Marie Gustave Le Clézio, französischer Schriftsteller u. Nobelpreisträger für Literatur, nennt als Gründe: 1. seine Kritik an den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen und 2. die Tatsache, dass er selbst nicht aktiv gegen sie ankämpft.
Frage: Seit wann schreiben Sie Kriminalromane?

Bohnet Pleitgen: Seit 2007. Aber eigentlich sammeln wir Geschichten des Lebens seit wir denken können, übrigens genau wie die Maus Frederick (von Leo Lionni).

Frage: Ihre erste Krimi-Veröffentlichung (bitte nennen Sie Titel, Erscheinungsjahr und Verlag)?

Bohnet Pleitgen: "Freitags isst man Fisch", 2009, Argument Verlag.

Frage: Was bedeutet deutsche Krimininalliteratur für Sie?

Bohnet Pleitgen: Im Idealfall eine rasante Geschichte in Kombination aus authentischem deutschen Lebensalltag in all seinen hellen und dunklen Facetten und einer spannenden, tragikomischen Crime-Story, die die Leserinnen und Leser lachen, bibbern und weinen lässt.

Frage: Gibt es einen Krimiautor / eine Krimiautorin, der oder die Sie beeinflußt hat?

Bohnet Pleitgen: Neben dem Werk von Tardi/Manchette (s. o.) und Leo Malet (s. u.) sicherlich Werke des schwedischen Autorenpaars Maj Sjöwall und Per Wahlöö. -ky nicht zu vergessen.

Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?

Bohnet Pleitgen: Ja, das streben wir an: Die Gegenwart einer noch jungen Vergangenheit (1989, 1999, 2009).

Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?

Bohnet Pleitgen: Man sollte über das schreiben, was man kennt. Handlungsort ist, wo wir leben: Hamburg.

Frage: Halten Sie das Schreiben von Kriminalromanen für schwieriger oder weniger schwieriger als das Schreiben in einer anderen Literaturgattung?

Bohnet Pleitgen: Jede Literaturgattung steht vor ihren ganz eigenen Herausforderungen. Der Krimi besitzt zweifellos den Vorteil, dass selbst banale Beschreibungen unter dem Vorbehalt von Mord und Totschlag stehen, man den Lesern scheinbar hier viel mehr als in anderen Genres zumuten kann, weil sie die Erwartung haben, dass sich auf jeder neuen Seite das Grauen auftun wird. Andererseits verlangt der Krimileser gnadenlos Spannung, Stringenz, Schnelligkeit.

Frage: Welches (Sub-)Genre der Kriminalliteratur bevorzugen Sie?

Bohnet Pleitgen: Den tragikomischen Hardboiled-Krimi als deutschen Roman Noir. Wer glaubt, dass dieses Genre nicht existiert, lese bitte unsere Bücher.

Frage: Findet Ihrer Meinung nach der Kriminalroman im Feuilleton gebührende Beachtung?

Bohnet Pleitgen: Mit Blick auf die FAZ und andere überregionale Zeitungen mit schwergewichtigem Feuilleton müssen wir leider verneinen.
Frage: Arbeiten Sie zur Zeit an einem neuen Kriminalrorman / an einer neuen Krimistory?

Bohnet Pleitgen: Ja, wir setzen die Kriminalgeschichten um unsere Protagonistin Nikola Rührmann fort, die mit "Freitags isst man Fisch" im Jahr 1989 beginnen. Jahre nach ihrem Physik-Studium verschlägt es Nikola als Nachwuchswissenschaftlerin an ein meteorologisches Institut in Hamburg, und hier gerät sie zwischen die Fronten (Gewitterfronten quasi) einer Wetterwette. Und in den Spanischen Bürgerkrieg - und das, obwohl dieser zu der Zeit bereits sechzig Jahre zurückliegt.

Frage: Halten Sie das Genre Kriminalliteratur für eine wichtige Literaturgattung?

Bohnet Pleitgen: Ja, weil es ein Genre ist, das eine sehr breite Leserschaft hat, gewissermaßen von Menschen aus allen Gesellschaftsschichten gelesen wird. Der Kriminalroman ist eine gesellschaftliche Versuchsanordnung, in der es zu sozialen Reaktionen kommt.
Ein Gedankenexperiment in einem abgeschlossenen Raum. "Die Figuren können nicht weg, und es kann niemand sonst hinein. Und drinnen gibt es Mord und Totschlag." (Christine Lehmann zum "Nachtkrater").

Frage: Sex im Krimi? - Wenn ja, warum?

Bohnet Pleitgen: "Sex and Crime" gehen im Leben (wie im Krimi) häufig eine (häufig unheilvolle) Allianz ein, klar, auch in unseren Büchern.
Ein Krimi ohne Sex ist "... wie ein Saufgelage mit Malzbier." (Jörg Held in "Kein Durchkommen" von Bohnet Pleitgen)

Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?

Bohnet Pleitgen: Einen? Schaut ins Ariadne Programm vom Argument Verlag!
Auch Männer haben übrigens Spaß an diesen Büchern!

Frage: Für wen schreiben Sie?

Bohnet Pleitgen: Für den Menschen, der sagt, "Hey, ich habe euer Buch gelesen, und es hat mich berührt!"

Frage: Plotentwicklung - Ihr erster Gedanke?

Bohnet Pleitgen: Die Frage nach der Ellipse, nach der Meta-Ebene, bspw. die unseres ersten Buches: "Ein Polit-Thriller in der studentisch-autonomen Szene zwischen Campus, Straßencafés und Musikclubs, von der Mitte der Stadt bis an ihren Rand, aus der Sicht einer Grenzgängerin, die am Ende die Kontrolle verliert, im Sog eines furchtbaren Verbrechens."

Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?

Bohnet Pleitgen: Unbedingt! Immerzu und überall (in der Sauna nur eingeschränkt)!

Frage: Wo schreiben Sie?

Bohnet-Pleitgen: Jeder vor seinem Laptop. Im Schneeballsystem. Jede/r überarbeitet immer wieder das, was der/die andere geschrieben hat, bis der Stil vollkommen einheitlich wird. Am Ende eines Buches ist es für uns schwierig zu sagen, wer genau eigentlich was geschrieben hat.

Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?

Bohnet Pleitgen: Nein, mit dem Steinwerkzeugen und den Marmortafeln, die es vor dem PC gegeben hat, sind wir nie zurecht gekommen.

Frage: Welchen Kriminalroman hätten Sie selber gerne geschrieben?

Bohnet Pleitgen: "Der dritte Mann" von Graham Greene.

Frage: Haben Sie Kontakt zu ausländischen Kollegen/Kolleginnen?

Bohnet Pleitgen: Wir haben Kontakt (aber viel zu wenig) zu der Österreicherin Nora Miedler ("Warten auf Poirot" und "Die Musenfalle" im Argument Verlag); .Wir hätten gern Kontakt zu Liza Cody.

Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?

Bohnet Pleitgen: "Die Walther PP, Kaliber 7,65 Millimeter Browning. 680 Gramm. 8 Schuss Munition. Eine feine Waffe. So was macht Eindruck, setzt Wortwechseln ein Ende. Schluss mit dem Weglaufen." (Nikola Rührmann in "Freitags isst man Fisch")

Frage: Mord - muss das sein?

Bohnet Pleitgen: Nein. Der Tod kommt von alleine (Hey, das wäre ein guter Titel. Oder gibt es den schon?)

Frage: Wer ist überschätzt?

Bohnet Pleitgen: Die Antwort darauf hängt sehr stark davon ab, zu welchem Zeitpunkt diese Frage gestellt wird. Der Großteil der Autorinnen und Autoren gerät früher oder später in den Mahlstrom des Vergessens.

Frage: Wer ist unterschätzt? Bohnet Pleitgen: Die Literaturkritik neigt grundsätzlich dazu, Autoren sogenannter Trivialgenres zu unterschätzen (z. B. Autoren der Sparten Science-Fiktion, Krimi, vielleicht auch Kinderbuch usw.).

Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?

Bohnet Pleitgen: "Pu der Bar" von A. A. Milne bzw. "Das doppelte Lottchen" von Erich Kästner.

Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?

Bohnet Pleitgen: Der interessierte, neugierige Leser sollte hierauf keine Antwort haben.

Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?

Bohnet Pleitgen: ... mit Blick auf Krimi-Serien: Leo Malet - Die neuen Geheimnisse von Paris mit Nestor Burma.

Frage: Ihr Lieblingsfilm?

Bohnet Pleitgen: "Schießen Sie auf den Pianisten" von Francois Truffaut.

Frage: Ihr Lieblingsgetränk?

Bohnet Pleitgen: Havanna-Club bzw. Rotwein.

Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?

Bohnet Pleitgen: Wir genießen gute Küche.

Frage: Kochen Sie?

Bohnet Pleitgen: Nein. Weder Bohnet Pleitgen, noch Rührmann.

Frage: Ihr Lieblingsgericht [Rezept am Schluß des Fragebogens]:

Bohnet Pleitgen: Deftiges Pilzgericht - Pfifferlinge mit Speck. Vorsicht! Nicht zu verwechseln mit dem Falschen Pfifferling (Hygrophoropsis Aurantiaca), führt möglicherweise zu kriminologischen Verwicklungen!

Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?

Bohnet Pleitgen: "Am Tatenberg [in Marschlande] schwenken wir in den Hofschläger Weg ein und fahren die Ochsenwerder Landstraße entlang. Die Weiden ertrinken im Wasser. [...] Mehrere Landgasthäuser locken mit Schildern: Einfach und gut!" (Aus: "Kein Durchkommen")

Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?

Bohnet Pleitgen: Die Jeansjacke von Nikola Rührmann. Durchaus figurbetont.

Frage: Fußball - ist das ein Thema für Sie?

Bohnet Pleitgen: (Enkel-)Sohn Jan zwingt uns dazu.

Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland? Ihr Lieblingsland?

Bohnet Pleitgen: Die Stadt der Städte: Berlin. Eine verlorene Liebe, die wir ziehen lassen mussten.

Frage: Ihr Lieblingsland?

Bohnet Pleitgen: Vier- und Marschlande in Hamburg.

Frage. Was lieben Sie?

Bohnet Pleitgen: Unsere Partner, die viel Verständnis und Geduld für uns aufbringen müssen.

Frage. Was verabscheuen Sie?

Bohnet Pleitgen: Das literarische Morden des Mordens wegen. Kriminalgeschichten, die nichts zu erzählen haben, die keine tiefere, keine versteckt liegende Botschaft besitzen, sich voyeuristisch an der Gewalt an Menschen laben.

Frage: Beste Schulnote - worin?

Bohnet Pleitgen: Für den Aufsatz: "Mord im Klassenraum".

Frage: Schlechteste Schulnote - worin & warum?

Bohnet Pleitgen: Für die Fortsetzung des Aufsatzes, in der sich der Lehrer als Täter entpuppt.

Frage: Ihr Traumberuf?

Bohnet Pleitgen: Freischaffender Schriftsteller, inzwischen Privatier, erstaunlich jung geblieben.

Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?

Bohnet Pleitgen: Bohnet Pleitgen wurden in diesem Jahr vom Syndikat für ihren Roman "Freitags isst man Fisch" in der Sparte Debüt für den Friedrich-Glauser-Preis nominiert. Das Interview erscheint in den Alligatorpapieren, worüber sich Bohnet Pleitgen sehr freuen.

Die Befragung erfolgte ohne Zeugen im August 2010.

Rezept
PFIFFERLINGE MIT SPECK
Zutaten für 4 Personen
120 g Pfifferlinge
8 Scheiben San Daniele-Schinken (ersatzweise mild geräucherter Speck)
2 EL Olivenöl
Fleur de Sol
Pfeffer aus der Mühle
Die Pfifferlinge vorsichtig putzen und trocken abreiben - nur bei Bedarf kurz abbrausen und auf Küchenpapier abtropfen lassen. Das Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und die Pfifferlinge darin anbraten. Mit Fleur de Sol und Pfeffer sparsam würzen. Den mild geräucherten Speck untermischen. Nach wenigen Minuten Bratzeit kann PFIFFERLINGE MIT SPECK auf flachen,angewärmten Tellern angerichtet werden.



Bohnet Pleitgen
(d.s. Ilja Bohnet & Ann-Monika Pleitgen)
Bohnet Pleitgen steht für das Autorengespann Ilja Bohnet und Ann-Monika Pleitgen. Er promovierter Physiker am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY, sie Schauspielerin und Managerin ihres Mannes Ulrich. Beide seit über vierzig Jahren Mutter und Sohn.

Homepage: www.freitagsisstmanfisch.de/

Die Krimis:
2009, "Freitags isst man Fisch", Argument Verlag.
2010, "Kein Durchkommen", Argument Verlag.



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Alle Titel und natürlich jedes andere lieferbare Buch können und sollten Sie bei Missing Link in Bonn bestellen, einer Buchhandlung, die sich auf Sekundärliteratur zum Krimi, auf Kriminalliteratur und auch auf die Beschaffung ausländischer Literatur spezialisiert hat.
Buchhandlung Missing Link
Zweigniederlassung Bonn
Thomas Przybilka
Buschstr. 14
53113 Bonn
Fax: 0228 - 24 21 385
Tel: 0228 - 24 21 383
e-mail: mlbonn@t-online.de
- deutsche Bücher stets porto- und verpackungskostenfrei! - fremdsprachige Titel ab einem Rechnungsendbetrag von EUR 52,00 innerhalb der BRD stets porto- und verpackungskostenfrei!


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Die Befragenden:

Gisela Lehmer-Kerkloh rezensiert Kriminalliteratur. Sie ist Mitglied bei den Sisters in Crime, bei der GVM (Genootschap van Vlaamse Misdaadauteurs), sowie Amiga im Syndikat.
Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht sie regelmäßig ihren "Krimi-Kurier" Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag

Thomas Przybilka verdient seinen Lebensunterhalt als Buchhändler. Er ist langjähriges Mitglied der "Autorengruppe Deutschsprachige Kriminalliteratur Das Syndikat". 1989 baute er das international bekannte "Bonner Krimi Archiv (Sekundärliteratur)" [BOKAS] auf. Bei den Alligatorpapieren veröffentlicht er regelmäßig seine "Krimi-Tipps zur Sekundärliteratur zum Krimi." Zahlreiche Publikationen zur Kriminalliteratur in Fachanthologien und -magazinen im In- und Ausland. Kriminalgeschichten in Deutschland, Bulgarien und Spanien. Letzte Buchveröffentlichung:
Siggi Baumeister oder: Eine Verfolgung quer durch die Eifel. Die Eifelkrimis des Jacques Berndorf.
84 S., 2001; EUR 10,50
NordPark Verlag


Die Befragungen von Gisela Lehmer-Kerkloh und Thomas Przybilka
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