Alligatorpapiere. Druckansicht Alle Befragungen
Christoph Spielberg
Frage: Warum Krimis?
C. Spielberg: Hat wahrscheinlich mit meinem Arzt-Beruf zu tun, damit, wie man als Internist denkt: Ein Patient präsentiert sich mit einem ungeordneten Wust von Symptomen, einer aus wichtigen und aus irreführenden Details zusammen gesetzten Vorgeschichte, mit einer ähnlich zufälligen Mischung von Untersuchungsergebnissen – und Schritt für Schritt, eventuell auf Umwegen und erst nach falschen Vermutungen, weiteren Nachfragen und Untersuchungen, kommt man (hoffentlich) am Ende zur Diagnose – was, wie im Krimi, noch längst nicht heißt, das dem Patienten damit geholfen ist.
Frage: Was bedeutet deutscher Krimi für Sie?
C. Spielberg: Deutsche Krimis scheinen mir häufig ein wenig kopflastig, zu bemüht um Bedeutung oder Aussage. Aber, wenn unsere Durchschnittsnote für ausländische Krimis eventuell etwas höher liegt als für "einheimische", dürfen wir nicht vergessen, das der Vergleich so unzulässig ist: die nicht-deutschsprachigen Krimis hier sind eine Auslese, müssen es erst einmal bis zu uns schaffen.
Frage: Wer ist überschätzt?
C. Spielberg: Da fehlt mir der Überblick, sonst würde ich sagen: Krimis aus Schweden.
Frage: Wer ist unterschätzt?
C. Spielberg: Hier fehlt mir auch der Überblick, sonst würde ich sagen: Spielberg natürlich.
Frage: Krimi – eine Literaturgattung?
C. Spielberg: Oh Gott, ich bin nur gelegentlicher Krimischreiber, kein Literaturwissenschaftler! Und schon im Biologie-Unterricht konnte ich Art, Gattung und Familie kaum auseinanderhalten.
Frage: Wie sind Sie zum Krimi gekommen?
C. Spielberg: Ich wollte endlich einen Krimi lesen, der mir rundherum gefällt – ist mir bisher auch bei den selbstgestrickten leider noch nicht gelungen.
Frage: Ihre Lieblingstatwaffe?
C. Spielberg: Dummheit.
Frage: Mord – muss das sein?
C. Spielberg: Nein. Es erwischt in der Regel die Falschen. Intelligente Verbrechen können ohne Mord auskommen.
Frage: Warum schreiben Sie?
C. Spielberg: Weil ich zu ungeschickt bin, ein Instrument zu spielen, und zum malen reicht es auch nicht. Außerdem dachte ich, ich könnte damit meine Legasthenie bessern – hat sich aber nicht bewahrheitet.
Frage: Bilden Sie in Ihren Kriminalromanen die Gegenwart ab?
C. Spielberg: Ich glaube schon, irgendwie, meine Bücher spielen schließlich in der Gegenwart. Ich bemühe mich aber, keine soziologischen Seminararbeiten zu schreiben.
Frage: Wo würden Sie Ihr "Setting" wählen?
C. Spielberg: Vielleicht suche ich mir irgendwann eine neue Umgebung, aber im Moment ist es das Krankenhaus, wo ich mich berufsbedingt ganz gut auskenne. Wie Andrea Fischer im Tagesspiegel Berlin zur
Russischen Spende schrieb: "Das Krankenhaus als Ort des Verbrechens musste endlich entdeckt werden". So erwarte ich bald eine lobende Erwähnung durch unsere Frau Gesundheitsminister oder einen Rabatt auf meinen Krankenkassenbeitrag, überlegen es sich meine Leser doch doppelt gründlich, ob sie mit ihren Beschwerden wirklich zum Arzt oder ins Krankenhaus und so das Gesundheitsbudget belasten müssen.
Frage: Welche Bedeutung hat für Sie Essen und Trinken?
C. Spielberg: Im Krimi? Klar, wenn ich den/die Protagonisten in 48 Stunden zweimal um die Welt jage, dann sollten sie irgendwann irgendwo wenigstens etwas trinken. Daneben kann man natürlich über ein Essen, schon ob alleine oder gemeinsam, eine Stimmung herüberbringen. Und durch was und wie gegessen wird, etwas über den/die Personen aussagen. Aber: Ein Krimi ist ein Krimi, ein Kochbuch ist ein Kochbuch, ein Restaurantführer ist ein Restaurantführer – finde ich jedenfalls.
Frage: Sex im Krimi?
C. Spielberg: Häufig langweilig und/oder aufgesetzt. Nicht selten, scheint mir, lebt da ein frustrierter Autor seine unerfüllten Phantasien aus. Meinetwegen, aber warum sollen die mich interessieren?
Frage: Wenn ja, warum?
C. Spielberg: s.o.
Frage: Wenn nein, warum?
C. Spielberg: s.o.
Frage: Gibt es einen "Frauenkrimi"?
C. Spielberg: Spätestens, seit das Verlags-Marketing in dem Begriff ein Verkaufsargument sieht.
Frage: Für wen schreiben Sie?
C. Spielberg: Für jeden, der meine Geschichten mag. Mir jedenfalls müssen sie gefallen
Frage: Plotentwicklung – Ihr erster Gedanke?
C. Spielberg: In der Regel die Ausgangssituation und ein bestimmtes allgemeines (nicht unbedingt medizinisches) Problem
Frage: Machen Sie sich Notizen und wo kommen Ihre Ideen her?
C. Spielberg: Klar mache ich mir Notizen. Ich glaube, das lernt man als Autor sehr schnell, das die Einstellung "gute Idee, schreibe ich mir gleich morgen früh auf" zu nichts führt – außer zum Verlust guter Ideen.
Wo die Ideen herkommen? Also, wenn ich wenigstens wüsste, wo die guten herkommen: ich würde sofort hinziehen!
Frage: Wo schreiben Sie?
C. Spielberg: In der Regel zu Hause, oder Hotel, Bahn etc. Aber nicht im Cafe, wie es sich für einen Autor gehört, der was auf sich hält.
Frage: Hindert der PC Sie am Schreiben?
C. Spielberg: Im Gegenteil
Frage: Ihr Lieblingsbuch als Kind?
C. Spielberg: "Das gute Gespenst Husch" Autor/in??? Illustrationen von???
Frage: Ihr Lieblingsbuch heute?
C. Spielberg: Wo ich immer mal wieder gerne reinschaue: von Uwe Timm "Rot" oder auch "Morenga", von Max Frisch u.a. "Gantenbein" oder "Andorra", die Briefe von Lessing, "Fegefeuer der Eitelkeiten" von Tom Wolfe, "Ein Bär will nach oben" von William Kotzwinkle, "Aus dem Leben eines Taugenichts" von Eichendorff, "Die Bibel nach Biff" von Christopher Moore, "Becket oder die Ehre Gottes" von Anouilh, und, und, und. Aber zu oft darf ich das nicht machen, denn soll man angesichts dieser tollen Bücher und Stücke wirklich selbst noch was schreiben? (aber, ist meine Ausrede, ich schreibe ja in einer ganz anderen Liga).
Frage: Ihre Lieblings-Krimiautorin / Ihr Lieblings-Krimiautor?
C. Spielberg: Auch hier kann ich nur sagen, was ich in letzter Zeit mit Freude gelesen habe, u.a. Thomas Kastura "Die letzte Lüge"; Gert Anhalt "Tote mögen keine Sushi"; Jörg Juretzka "Fallera"; Jonathan Lethem "Motherless Brooklyn".
Frage: Ihr Lieblingsfilm?
C. Spielberg: im Sinne von "habe ich über zehn mal gesehen"? – da habe ich keinen
Frage: Ihr Lieblingsgetränk?
C. Spielberg: Ein schöner Darjeeling am Nachmittag. Ein schöner Chardonnay am Abend. Und natürlich – wer kennt das nicht – ein frisch gezapftes Bier nach einem warmen Sommertag.
Frage: Kochen Sie?
C. Spielberg: Ja, gelegentlich auch gerne.
Frage: Gehen Sie essen, und wenn ja, wo?
C. Spielberg: Wer kann sich das seit Euro-Einführung noch leisten!
Frage: Was ist Ihr Lieblingskleidungsstück?
C. Spielberg: Wenn ich einen hätte, wäre es evtl. mein Pyjama, aber ich habe keinen Pyjama. Also lebe ich das freudlose Leben eines Menschen ohne Lieblingskleidungsstück.
Frage: Fußball – ist das ein Thema für Sie?
C. Spielberg: Gelegentlich, um mit einem Bier vor dem Fernseher zu liegen und abzuschalten.
Frage: Frauen/Männer – ist das wichtig für Sie?
C. Spielberg: Im Leben ja. Als Thema ausgeknautscht.
Frage: Ihre Lieblingsstadt in Deutschland?
C. Spielberg: München, weil ich dort den "Glauser-Preis" bekommen habe. Hamburg, dort war es der Agatha-Christie Preis. Und Berlin, sonst würde ich hier nicht leben. Ansonsten siehe "Lieblingsland"
Frage: Ihr Lieblingsland?
C. Spielberg: Ich bin ziemlich sicher, dass die Verteilung an netten Leuten, interessanten Leuten und doofen Leuten in jedem Land etwa gleich ist, und weitgehend zufällig, welchen Ausschnitt aus dieser Mischung ich dort gerade angetroffen habe, und er mir so das Land sympathisch oder weniger sympathisch gemacht hat (was zu der Überlegung führt, ob es so etwas wie einen "Volkscharakter" gibt – aber das ist eine andere Frage).
Frage: Was lieben Sie?
C. Spielberg: Beim Zubettgehen das Gefühl, den Tag sinnvoll verbracht zu haben. Eine Stunde mit Freunden. Einen schönen Sonnenauf- oder Untergang. Also alles, was der Durchschnittsmensch eben so liebt.
Im Krimi: keine Fehler im Plot, keine zu großen Zumutungen an die Gesetze der Wahrscheinlichkeit, Humor.
Frage: Was verabscheuen Sie?
C. Spielberg: Beim Zubettgehen das Gefühl, den Tag nicht sinnvoll verbracht zu haben. Unsinnige Diskussionen (das sind die meisten). Den Gang zum Zahnarzt.
Im Krimi: Traumsequenzen.
Frage: Beste Schulnote – worin?
C. Spielberg: Ist mir peinlich, außer in Hallensport (Geräte, Gymnastik etc.) war ich in allen Fächern ziemlich gut.
Frage: Schlechteste Schulnote – worin & warum?
C. Spielberg: Sportnote im Winterzeugnis, absolut ungelenkig
Frage: Ihr Traumberuf?
C. Spielberg: Arzt und Autor. Aber auch Astrophysiker, Tierpfleger, Archäologe, Zimmermann, Gärtner ... was ist nicht interessant? Na ja, vielleicht nicht gerade was am Fließband.
Frage: Haben Sie eine Ahnung, warum Sie diesen Fragebogen beantwortet haben?
C. Spielberg: Weil zwei liebe Leute mich darum gebeten haben
Christoph Spielberg
Christoph Spielberg wurde 1947 in Berlin geboren und ist Facharzt für Innere Medizin und Herzspezialist. Er war Oberarzt in einem Berliner Klinikum, heute niedergelassener Kardiologe in Berlin. Sein erster Krimi "Die russische Spende" wurde 2001 veröffentlicht und mit dem Friedrich-Glauser-Preis für das beste Debüt ausgezeichnet. Es folgten "Denn wer zuletzt stirbt" (Piper 2002), "Hundertundeine Nacht" (Piper 2003) und "Der vierte Tag" (Piper 2004). Sein Protagonist ist Dr. Felix Hoffmann, Leiter der Abteilung für Nachsorge meist alter Menschen in der Humana Klinik in Berlin. Spielberg verarbeitet das polische Zeitgeschehen wie z.B. den Irak-Krieg sowie aktuelle Themen aus dem Gesundheitsbereich wie z.B. Krankenhausmisere und Bettenabbau, humanes Sterben und Sterbehilfe. Für die Kurzgeschichte "Happy Birthday" erhielt er 2004 den Agatha-Christie-Preis.
Homepage: no have
Die Krimis:
2001 Die russische Spende, Piper
2002 Denn wer zuletzt stirbt, Piper 3718
2003 Hundertundeine Nacht, Piper 4000
2005 Der vierte Tag, Piper 6127
Die Krimikurzgeschichten
2002 Lilota. Süddeutsche Zeitung Nr. 89 vom 17.04.2002
2003 Mehr Licht. In Nadine Barth: "Letzte Worte", Scherz 1957
2004 Happy Birthday. In Nadine Barth: "Verdächtige Freunde", Scherz 52008
Stand: Oktober 2004
© Gisela Lehmer-Kerkloh & Thomas Przybilka
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